Folkwang hat viele Gesichter, von denen jedes einzelne dazu beiträgt, dass Folkwang ist, wie es ist. StudiScout Henriette Lips stellt euch Prof. Dr. Steffen Siegel vor, der seit Sommersemester 2015 Theorie & Geschichte der Fotografie im Fachbereich 4 lehrt. Die meisten kennen ihn nicht nur als Lehrenden, sondern auch als einen Menschen, der immer einen frechen Spruch parat hat und den man auf fast jeder Ausstellungseröffnung trifft.
Für unser Interview treffe ich mich mit Herrn Siegel in seinem Büro im Quartier Nord. Noch bevor ich an seiner Tür klopfen kann, sehe ich ihn schnellen Schrittes auf mich zu laufen. Wie man es von ihm kennt, begrüßt er mich sehr herzlich und bittet mich in sein Büro. Er setzt sich auf sein Sofa, ich mich auf einen Sessel ihm gegenüber. Wir unterhalten uns kurz über den Unialltag und ich freue mich, dass er noch genau weiß, an welchen seiner Kurse ich wann teilgenommen habe und was das Thema meiner letzten Präsentation bei ihm war. Das ist typisch, denn Herr Siegel hat ein unglaubliches Gedächtnis.
Prof. Dr. Steffen Siegel unterrichtet Theorie und Geschichte der Fotografie. Das bedeutet: „Historisch von den Anfängen bis in die Gegenwart und theoretisch eigentlich alles, was dafür relevant ist“, sagt er. „Ich bin natürlich nicht in der Lage dazu, das alles zu unterrichten, aber wenn ich es nicht anbieten kann, versuche ich es einzurichten, dass es entsprechend ergänzende Angebote gibt.“ Abgesehen von seinem Lehrgebiet engagiert sich Herr Siegel auch für andere Bereiche im Fachbereich 4. „ Ich bin unter anderem Bibliotheksbeauftragter und gewähltes Mitglied des Fachbereichs, aber ich glaube das ist nicht so interessant zu erzählen“, sagt er schmunzelnd. „Wir sind alle sehr bemüht, nebenher noch allerlei zu organisieren“, erzählt er weiter. „Zum Beispiel Tagungen oder eigene Forschung. Dieses Jahr fand etwa eine sehr interessante Tagung statt, die ich zusammen mit der Bibliotheca Hertziana in Rom veranstaltet habe. Die Bibliotheca Hertziana klingt erst nach einer Bibliothek, ist allerdings eine der wichtigsten Kunstwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen aus Deutschland, die sich nicht in Deutschland befindet, sondern eben in Rom. Sie ist direkt oberhalb der Spanischen Treppe, ein wichtiger Ort für kunst- und bildgeschichtliche Forschung. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von der Hertziana und der City University in New York habe ich eine Tagung ausgerichtet zu dem Thema ‚Circulating Photographs: Materials, Practices, Institutions‘.“ Den Namen Folkwang und das, was im Quartier Nord so passiert, in die Welt hinaus zu tragen, sei ihm sehr wichtig.
Bevor Steffen Siegel den Ruf an die Folkwang angenommen hat, arbeitete er auf einer Juniorprofessur für die Ästhetik des Wissens an der Friedrich Schiller Universität in Jena. „Das hört sich erst einmal ganz anders an als das, was ich jetzt lehre, geht jedoch in die gleiche Richtung“, erzählt er mir. „Es ging auch damals schon um Bilder und mir ging es dabei auch hauptsächlich um die Geschichte der Fotografie.“ Dass er irgendwann einmal an der Folkwang Universität der Künste landen würde, wo es genau dafür einen Lehrstuhl gibt, hatte er nicht geplant. „Es war einfach meine Vorliebe und das, was mich interessiert hat. Diese habe ich dann sechs Jahre sehr ernst genommen, mit Seminaren, Ausstellungen und Exkursionen. Diese ganze Arbeit war natürlich für mich eine gute Vorbereitung auf das, was ich gerade hier an Folkwang tue.“
Als ich ihn frage, was ihm am meisten an seinem Beruf als Lehrender gefällt, muss Steffen Siegel erst einen kurzen Moment nachdenken. „Diese Frage kann ich nur ganz schwer beantworten, da ich allgemein hier einen großartigen Job habe“, erzählt er nachdenklich. „Was mir vielleicht doch am allermeisten gefällt, ist, dass ich ganz nah an der Praxis dran bin. Wir machen hier natürlich theoretisch-wissenschaftlichen Unterricht, doch ich lerne mindestens genauso viel von meinen Studierenden wie diese hoffentlich von mir.“ Er lacht kurz und fährt fort: „Wenn es um Kameras, um Papiere, Produktionsprozesse oder um künstlerische Entwicklung und Gedankenfindung bis hin zu der Installation einer Ausstellung in der Galerie 52 geht, habe ich ganz viele Berührungspunkte zur Realität eines Künstler*innenlebens. Vor allem, weil es mit jungen Menschen passiert. Ich könnte mich wohl auch in irgendein Atelier stellen und dort mit den älteren Künstlern reden, aber mit jungen Menschen hat man nochmal eine ganz andere Art von Austausch.“ Er trinkt einen Schluck, denkt noch einen kleinen Moment nach und fügt noch hinzu, dass wir als Kunsthochschule sehr viele Freiheiten hätten, unsere Arbeiten und Inhalte selber zu gestalten. Diese Freiheit, auch in der Zusammenarbeit, findet er sehr wertvoll.
Ein Beitrag im Rahmen des Projekts
„Folkwang StudiScouts“.
Henriette Lips / 16. April 2019