Folkwang

Interdisziplinäres Arbeiten - Leute, es geht und es lohnt sich!

Folkwang Absolventin Gloria Ferraro feiert einjähriges Bestehen ihres interdisziplinären Projekts „Musiklinie“

Die Zeit an Folkwang ist intensiv und prägend. Aber sie geht viel schneller vorbei, als man denkt und die Gefahr ist groß, dass man viele Möglichkeiten, die das Studium bietet, gar nicht wahrnimmt. Nie wieder wird es so einfach sein, auf einen derart großen Pool an qualitativ ausgezeichneten, total unterschiedlichen Künstler*innen zuzugreifen! Das wusste auch die Folkwang-Absolventin Gloria Ferraro (Studiengang Kommunikationsdesign). Sie besuchte daher diverse Veranstaltungen an Folkwang, um die richtigen Leute für ihr Projekt „Musiklinie“ zu gewinnen. Mittlerweile erfreut es sich an stetig wachsender Popularität und feierte jüngst sein einjähriges Bestehen. StudiScout Felix hat sich mit Gloria über ihren Werdegang und die Bedeutung interdisziplinären Arbeitens unterhalten.

Gloria Ferraro | Foto: Judith Pollmann

Gloria Ferraro | Foto: Judith Pollmann

 

2014 ging Gloria im Zuge eines Austauschs nach Deutschland, nachdem sie zunächst ein Jahr in ihrer Heimat Mailand Kommunikationsdesign studiert hatte. Dank Erasmus kam sie an die Folkwang Universität der Künste, wo sie sich so wohl fühlte, dass sie gar nicht mehr zurück wollte. Also machte sie die Eignungsprüfung für den Studiengang Kommunikationsdesign, bestand sie und konnte, mit der Gewissheit noch mindestens zwei weitere Jahre in Deutschland zu sein, ihre Projekte aufbauen.

Inzwischen ist es 2019: Gloria ist immer noch - wenn auch keine Folkwang-Studentin mehr - in Essen wohnhaft und etabliert sich mehr und mehr in der deutschen Kunstszene. Ihre wachsende Popularität hängt nicht zuletzt ihrer individuellen Kunstform - das Zeichnen von Musik - zusammen. Dass ihre Art der Performance inzwischen auf interdisziplinärem Arbeiten basiert, ist einerseits ihrer Vision, andererseits aber auch dem Zufall zu verdanken: „Meine Kunst ist immer Übersetzung. Zu Beginn habe ich mit verbundenen Augen das gemalt, was ich gefühlt habe. Dann habe ich Anfang 2017 bei der Ausstellung „Anwesend“ im Museum Folkwang live gezeichnet - zeitgleich hat eine Band gespielt - und plötzlich kam die Sängerin zu mir und fragte mich ‚Hey, hast du mal überlegt Musik zu zeichnen?'“, erzählt sie, „Ich fand den Gedanken sehr interessant und entwickelte darüber hinaus meine Abschlussarbeit ‚records of perceptions‘. Eine experimentelle Forschung über die ästhetische Korrespondenz zwischen Sinneswahrnehmungen.“

Ein erfolgreicher Abschluss und die Suche nach neuer Inspiration

Als Gloria diese Idee ihren Professoren Heribert Birnbach und Christian Schreckenberger präsentierte, waren diese auf Anhieb begeistert. Besagte Band heißt „Tired Eyes Kingdom“ und hat ihren Ursprung im Institut für Pop-Musik der Folkwang Universität der Künste. Gloria arbeitete mit selbstprogrammierter Software, mit der sie live auf die Musik reagierte und ihre Zeichnung via Projektion auf die Band übertrug. Der zweite Teil ihrer Abschlussarbeit war ein Buch mit 80 Zeichnungen von Musik, das im Oktober 2017 im Folkwang Museum bei der Ausstellung „Substance“ ausgestellt wurde.
Das Projekt wurde ein Erfolg, doch Gloria spann die Idee schnell weiter, da ihr bewusst wurde, dass das Zeichnen von bereits bestehender Musik auf Dauer zu langweilig für sie sein würde: „Es war eher eine Art Monolog, zu dem ich improvisiert habe, allerdings konnten die Musiker*innen so nicht mit mir interagieren. Deswegen bin ich zur Folkwang Impro-Jam gegangen, wo ich den Jazz-Saxophonisten Jakob Jentgens gesehen habe. Ich ging zu ihm und sagte: ‚Hallo, ich will mit dir arbeiten.‘“ Zusammen feilten die beiden dann für eine Woche in einem Raum am Zusammenspiel zwischen improvisierter Musik und improvisierter Malerei.

Zwischen Treppenhaus und Socken – das ist „Musiklinie“

Im März 2018 gründete Gloria „Musiklinie". Zusammen mit Jakob zusammen ging sie, bewaffnet mit Saxophon und Pinsel, durch ein Haus in Gelsenkirchen und bemalte aus der Improvisation heraus das Treppenhaus. Das Ganze fand im Auftrag der SEG (Stadterneuerungsgesellschaft) im Rahmen eines  geförderten Wohnprojekts für junge Leute und Kreative mit dem Namen „Ninety6“ statt.
Daraufhin kam „Musiklinie“ erst richtig in Fahrt. Gloria arbeitete fortan mit verschiedenen Folkwang-Künstler*innen im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungen zusammen, um immer wieder neuen Eindrücken ausgesetzt zu sein. Dadurch erweiterte sie nicht nur ihren Horizont, sondern auch ihr Netzwerk an Kontakten. Darüber hinaus veröffentlichte sie ein Jahr nach der Gründung eine erste Modekollektion mit den Zeichnungen von „Musiklinie“, unter anderem auf Jacken, Hemden, Schals, Hüten und Taschen, – alles handbemalte Unikate.

 

Gloria bei ihrer Bachelor Arbeit. | Foto: Fabian Neubauer
Das von Gloria bemalte Treppenhaus in Gelsenkirchen. | Foto: Fabian Neubauer
Gloria zeichnet improvisierte Musik von Moritz Claudius für den Kunstverein Duisburg. | Foto: Judith Pollmann
Glorias Modekollektion wächst und gedeiht. | Foto: Fabian Neubauer
Gloria mit dem Saxophonisten Lennart Allkemper und dem Pianisten Lucas Dann nach einem Konzert, das live gezeichnet wurde. | Foto: Melissa Muther
Für ein Sinfoniekonzert im Theater Münster zeichnete Gloria die Stücke für das Programheft mit geschlossenen Augen. | Foto: Gloria Ferraro


Für die Zukunft plant Gloria nicht nur andere Künstler*innen, sondern auch das Publikum mit in den Moment der Entstehung ihrer Kunst einzubeziehen. In Zeiten, „in denen das Individuum in der Masse untertaucht“, möchte sie den einzelnen Leuten eine höhere Relevanz zuordnen: „Das Publikum soll Klänge mitkreieren, stampfen, schreien oder ein Instrument spielen. Alle Anwesenden sollen das Gefühl haben, dass durch die eigene Präsenz etwas verändert wird.“
So entwickelt sich Glorias Idee von „Musiklinie“ immer weiter. Was sich allerdings nicht verändern wird, ist die kooperative und interaktive Arbeit mit Menschen aus anderen Disziplinen der Kunst. Deshalb freut Gloria sich jedes Mal, wenn sie an ihre Studienzeit zurückdenkt, dass sie an Folkwang so viele unterschiedliche, begabte Menschen treffen konnte, die sie inspiriert haben. „Das“, sagt sie, „ist ein riesiges Geschenk.“

 

 

Weitere Infos zu Gloria findet ihr hier.


Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Felix Waltz / 17. Juli 2019