Folkwang

Folkwang... und dann?

Ein Spaziergang mit Nico Hartwig

An einem kalten Wintertag spaziere ich mit Nico, 25, Musical-Absolvent der Folkwang Universität der Künste, am Wasser entlang. Wir führen ein angeregtes Gespräch über Kunst, Studieren und das Leben als freischaffende*r Künstler*in.

Folkwang Musical-Absolvent Nico Hartwig | Foto: Malte Viebahn

Folkwang Musical-Absolvent Nico Hartwig | Foto: Malte Viebahn

 

Der Kern des Musicals

„Der Kern des Musicals”, sagt Nico mit ausladender Geste, „ist der Größenwahn. Die Eleganz dabei ist larger than life und die Form ist enorm wichtig.” An der Folkwang Universität der Künste wurde Nico auf das Leben als professioneller Musical-Darsteller hervorragend vorbereitet. In den vier Jahren seines Studiums hat er handwerklich sehr viel gelernt und wurde bestens begleitet und ausgestattet von all den erfahrenen Dozierenden. Er vergleicht es mit kleinen Setzlingen, die man in die Erde pflanzt und die bei ihm jetzt nach dem Studium richtig beginnen zu florieren: „Die Art und Weise, wie sie gepflanzt wurden, war so smart, dass das jetzt ganz von alleine in die richtige Richtung wächst."

 

Konfrontation mit neuen Bedingungen
Herausfordernd fand Nico, die Entscheidung für eine freiberufliche Karriere zu treffen und die Konsequenzen zu tragen: Freiheit und künstlerische Selbstverwirklichung gehen einher mit großer Eigenverantwortung und wenig Absicherung. „Die Gefahr dabei ist, dass man lost geht. Man ist sein eigener Manager und muss gut haushalten.”

 

Das Netzwerk fängt dich auf
Nico wirft auch einen beruhigend positiven Blick in die Zukunft: „Irgendwann ist man so gut vernetzt, dass man immer irgendwas findet, wo man arbeiten kann! Ich habe momentan noch kein Engagement für den Herbst, mache mir aber keine Sorgen, weil ich weiß, dass was kommen wird!” Während Nicos Zeit an Folkwang sind zahlreiche Freund*innenschaften und Kooperationen entstanden. „Das war so eine besondere Zeit!”, schwärmt er, „Ich habe noch total viele Friends aus der Phase, mit denen ich auch zusammenarbeite und wenn ich in der Arbeitswelt auf Folkwang-Alumni als neue Kolleg*innen treffe, dann gibt es da so eine transgenerationale Verbindung durch unsere Art der Ausbildung. Wir kennen uns, weil wir die gleichen Dinge gelernt haben und deshalb eine gleiche Sprache für die Arbeit haben.”

 

Eigene Projekte
Mit seiner Band „Gulliver DeLarge” spielt Nico regelmäßig im Theater Museum in Düsseldorf (Pink Palace) und erzählt mir, dass Projekte wie dieses, in denen er eine zentrale Rolle als künstlerische Leitung einnimmt, noch mehr Raum in seinem Leben einnehmen sollen. Die Musical-Jobs, mit denen er seinen Lebensunterhalt verdient, sind aber auch wichtiger Bestandteil seiner Leidenschaft und aus seinem künstlerischen Alltag nicht wegzudenken. „Das Experimentieren hat mich eigentlich immer am meisten in Bann gezogen. Mich interessiert vor allem, die Prinzipien der Szene, die Konventionen und all das Gewohnte und Gelernte aufzubrechen", erzählt Nico und lässt den Blick über die Wiese gleiten. „Ich glaube, ich habe total Glück, so tolle Projekte machen zu dürfen und auch teilweise sehr gut bezahlt zu werden. Das ist ein großes Privileg, das es mir ermöglicht, auch eigene Ideen zu verwirklichen.”

 

Theater – mit all seinen Schwierigkeiten und Chancen
Nico berichtet auch von Problemen in der Szene: Festgefahrene Strukturen an Stadttheatern, die nicht mehr hinterfragt werden und mangelnde Relevanz und Frische der behandelten Themen stellen Herausforderungen für modernes Theater als Kunstform der Gegenwart dar. „Risiko ist etwas, das ich mir mehr wünschen würde", sagt Nico und meint, dass davon leider oft zu wenig zu spüren sei, weil Theaterstücke sich häufig „rechnen müssen”. Aber es gibt auch zahlreiche Künstler*innen, die Nico inspirieren und interessieren, die bereits in andere, neue Richtungen forschen und mit denen er gern zusammenarbeiten würde. Die Szene scheint mir also sehr vielfältig zu sein und einiges zu bieten, wichtig sei eben manchmal „mehr Mut und Wille, etwas zu verändern!”

 

Essen-Werden – eine Heimat?
Dass Nico auch nach seinem Studium noch in Essen-Werden wohnt, war so nicht geplant, erzählt er. Bei seinem Abschluss im Oktober 2020, dem ersten Pandemie-Jahr, war die Lage erst einmal unsicher und Künstler*innen waren auf Notlösungen angewiesen. Trotzdem traf er die Entscheidung, in Essen-Werden zu bleiben, auch auf Grund der vielen Qualitäten des Ortes: Die Nähe zur Hochschule, die Beschaulichkeit und geringe Ablenkung, der kleine, geschützte Rahmen, all diese Aspekte überzeugten Nico schon während seines Studiums.

 

Ein Rat zum Abschluss
Abschließend frage ich Nico noch nach seinem Rat für neue Studierende. Seine Antwort gefällt mir: „Neuen Studierenden würde ich gerne mit auf den Weg geben, dass sie nie vergessen sollten, ihrem Spaß nachzugehen. Das ist etwas, das man bei zu viel karrieristischem Denken leicht verliert.” Das könne er, sagt Nico, bei befreundeten Kolleg*innen beobachten und er sehe, wie unglücklich sie das mache. „Auch wenn der Spaß dich nicht berühmt, reich oder bekannt macht, lohnt sich das Risiko, der Freude zu folgen und ihr zu vertrauen.”


Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

 

Annelie Schrötter / 14. Februar 2024