Folkwang

Kunst ist Politik! Italien 1943-2017

Zeitraum: 16. - 29.09.2017

Nach der Kapitulation im Jahr 1943 erlebte Italien eine Kunstszene, die Kunst und Politik unter ganz neuen Prämissen zusammenbrachte. Mit den Vertretern des italienischen Neorealismus, wie Roberto Rosellini, Vittorio De Sica, Luchino Visconti und Frederico Fellini, kamen sozialpolitische Themen in den Film. Die Arbeiten des 1975 ermordeten Schriftstellers und Regisseurs Pier Paolo Pasolini sind von seiner politischen Haltung geprägt. In der darstellenden Kunst hatten Franca Rame und Dario Fo mit ihrem politischen Volkstheater großen Erfolg – und Ärger mit der Justiz. Die bildenden Künstlerinnen und Künstler der so genannten „Arte povera“ bezogen sich zwar nicht ausdrücklich auf eine gemeinsame, politische Ideologie, doch die Arbeit mit natürlichen, alltäglichen Materialien und das Experimentieren mit neuen Präsentationsformen waren auch sozialkritische Statements. Gründungen von Künstlergruppen wie „Studio Alchimia“ und „Memphis“, die dem italienischen Design zum internationalen Durchbruch verhalfen, waren auch aus (wirtschafts-)politischen Ambitionen junger Kunstschaffender entstanden. In der Musik hat vor allem der italienische Komponist Luigi Nono mit seinen Werken direkten Bezug auf politische Inhalte genommen. Mit seinen Freunden, dem Dirigenten Claudio Abbado und dem Pianisten Maurizio Pollini, rief er in der Arbeiterhochburg Reggio Emilia eine Konzertreihe ins Leben. In der Popkultur erheben italienische Künstlerinnen und Künstler wie Adriano Celentano und Gianna Nannini bis heute ihre Stimme auch zur politischen Situation ihres Landes.

In der Toskana schließlich lässt sich die Verbindung von Kunst und Politik bis heute auf vielfältige Weise erleben: Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges tobte in dieser einzigartigen Kulturlandschaft ein grausamer Dreifrontenkrieg zwischen Partisanen, deutschen Soldaten und Alliierten. Rund zwanzig Jahren später verstärkte eine Agrarreform die wirtschaftlichen Probleme und führte zur Landflucht. Die Region verarmte, drohte politisch und wirtschaftlich vergessen zu werden. 1966 gründeten in dem kleinen Ort Montichiello die Bewohnerinnen und Bewohner das „Teatro Povero“ – eine Reaktion auf die Schließung ihres Postamtes. Und 1975 wandten sich kommunistische Lokalpolitiker der Toskana an den deutschen Komponisten Hans Werner Henze, mit der Bitte ein Kulturfest für den Ort Montepulciano zu entwickeln –den bis heute bestehenden „Cantiere Internazionale d’Arte“.

Wer heute durch Montepulciano geht, begegnet einer beeindruckenden Zahl von Denkmälern der Architektur und Malerei und hört, wie in Kirchen, Schulen und Palästen mit Hingabe musiziert wird. Wie in zahllosen anderen Städten Italiens auch nehmen Reisende fast immer nur jene historische Gediegenheit wahr, gegen die schon vor rund einem Jahrhundert die Futuristen rebellierten.

Der Imperativ „Kunst ist Politik!“ markiert nun, was die Künste, soziale und politische Bewegungen in Italien seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ausgezeichnet hat, von Historiographie und Tourismus aber meist ignoriert wurde. Ausgehend vom Rückblick auf die jüngere Geschichte eines europäischen Landes soll der Fokus sich weiten auf die heute zunehmend geführten Globalisierungsdiskurse (Digitalisierung, Mobiliäten, Internationalisierung auch der Ästhetik; Omnipräsenz/Omnidistanz; Ansprüche und Grenzen des Nationalstaats; Inklusion/Exklusion).

Das siebte Jahresprojekt des Kollegs für Musik und Kunst Montepulciano wird also eine Herausforderung bieten für alle, die sich nicht mit der Reproduktion des schönen Scheins zufrieden geben wollen. Es wird sich mit der Haltung der Künste zur Politik beschäftigen und fragen, ob in Italien – und nicht nur dort – die Politik zur Kunst und Kunst zur Politik werden kann, darf oder muss.

Bewerbungen sind (online) ab jetzt bis zum 24.04.2017 möglich.

Alle wichtigen Informationen zum Jahresprojekt 2017 sowie zum Online-Bewerbungsverfahren können der Anlage sowie folgendem Link entnommen werden: www.kolleg-musik-kunst.de
Von dort geht es auch zur Bewerbungsplattform: https://kolleg-musik-kunst.de/bewerbung/

Ausschreibung zum Projekt 2016 | PDF