Wie haben Sie die letzten Wochen erlebt? Wie funktioniert für Sie die Lehre/der berufliche Alltag an Folkwang in der aktuellen Situation?
Ich war die meiste Zeit im Home Office, dort aber virtuell und international mehr unterwegs, als ich es reisend hätte tun können. Meine Tage sind von morgens bis abends angefüllt mit Videokonferenzen – der Kopf schwirrt. Ich habe einige Webinare organisiert. Das war sehr spannend, da ich so ja auch mehr Studierende, Universitäten und Interessierte gleichzeitig erreiche, die sich zum Beispiel dazu schalten können. Mein Blockkurs an Folkwang musste verschoben werden, da er direkt zu Beginn der Einschränkungen hätte stattfinden sollen. Auch die wichtigen Abschlussprüfungen wurden ja verschoben. Letzte Woche haben wir die ersten Prüfungen wieder real abhalten können – mit allen notwendigen Hygienemaßnahmen und ohne weitere Teilnehmer*innen. Das war auf der einen Seite klasse - endlich wieder etwas Normalität, das Warten der Studierenden hatte ein Ende. Auf der anderen ein sehr seltsames Gefühl zu viert weit verteilt im Hörsaal zu sein.
Sie wirken derzeit an einer wissenschaftlichen Konsultation mit, deren Ergebnisse als Impuls an die Bundesregierung weitergegeben werden. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie Nachhaltigkeit zur Bewältigung der Corona-Krise beitragen kann. Wie lautet, in aller Kürze, Ihre Antwort auf diese Frage?
Nachhaltigkeit ist eine Vorsorge- und Resilienzstrategie, da sie auf die Erhaltung der Ressourcen der Natur, der Menschen, der Gesellschaft und Wirtschaft achtet im Hier und Dort – also lokal und global, im Jetzt und Morgen. Werden diese in Balance gehalten, so sinkt das Risiko, nicht auf unvorhergesehene Krisen reagieren zu können, natürlich nicht auf 0%. Aber wir bekommen dadurch Zeit und Chancen, besser auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Eine Nachhaltigkeitsstrategie ist damit so etwas wie ein Vorsorge- und Risikomanagement für die Natur und die Menschen.
Welche Chancen ergeben sich aus der Krise für die Gestaltung nachhaltiger Designs?
Wir haben in den letzten Wochen erfahren, wie wichtig Kreativität und die Fähigkeit zur Umgestaltung für die Bewältigung solcher Krisen sind. Überall musste der Alltag rekonstruiert werden – die Menschen haben Immenses geleistet: die systemrelevanten Berufe, die Eltern u.v.m. Das sind Fähigkeiten, die auch Designer*innen haben oder erlernen. Wenn Nachhaltigkeit also wichtige Voraussetzung ist, dann sind Designer*innen die Change Agents, die dabei helfen, dies zu gestalten, indem sie die Ideen und Hoffnungen der Menschen oder die eigenen als Objekte und Strukturen in die Welt bringen, um sie fassbar und erfahrbar zu machen. Gerade in der nächsten Zeit benötigen die Menschen und Gesellschaften solche Bilder und Erfahrungen, um Halt und Strukturen im rekonstruierten Alltag zu bekommen.
Das Interview führte für die Folkwang Hochschulkommunikation,
Kristina Schulze