folkwang ist… sich immer wieder entscheiden von Alexander Vaassen
Seit bald drei Monaten treibt Corona jetzt sein Unwesen, auch wenn Deutschland, Stand jetzt, im internationalen Vergleich wohl glimpflich, mit einem blauen Auge davongekommen ist. Allmählich fahren Bund und Länder wieder hoch. Vielleicht ein bisschen zu schnell? Vielleicht gerade rechtzeitig? Wir werden sehen.
Theater(-leitungen) waren in der Zwischenzeit daran verzweifelt, (teilweise auf Weisung ihrer Städte) „Content“ produzieren zu müssen und daran, dass Schauspieler*innen mit ihrer Handykamera vor der heimischen Raufasertapete oder dem hastig (um)bestückten Bücherregal qualitativ nicht mit Netflix & Co. konkurrieren können - noch dazu ohne Probenzeit, die doch einer der maßgeblichsten Unterschiede (immerhin ein sechs Wochen langer!) zur schnelllebigen Filmproduktion ist. Die Kunsthochschulen landesweit bemühten sich um Konzepte. Das bestmögliche war ein konstruktiv gestaltetes Heim- oder auch Kreativsemester. Für uns Schauspiel- und Regiestudierende bedeutete das, in unserer so kontaktlastigen Disziplin nicht nur kontaktbeschränkt, sondern kontaktfrei auf unsere immer furchtbarer erscheinenden Laptopbildschirme glotzend wenigstens die Inhalte zu büffeln, die ohne Kontakt auskommen wie das Erstellen von Konzeptionen oder das Auseinandersetzen mit Theorien.
Was einem da nicht alles für Gedanken kommen! Welche Bücher habe ich eigentlich im Regal, die ich noch nicht gelesen habe? Wie wird das Theater, ach was, die ganze Welt wohl nach Corona aussehen? Was für Theater möchte ich eigentlich machen? Was wäre, wenn ich gerade Abschluss machen würde und es wäre einer Pandemie geschuldet völlig unklar, ob ich Jobs finde, was ja schon in einer gesunden (Theater-)Welt schwer genug ist? Welchen Stoff mache ich im Vordiplom? Warum eigentlich weiterstudieren, wenn sich gerade ein irgendwie total konstruktiver Modus herauskristallisiert, in dem man gefühlt jahrelang arbeiten könnte? Was verpasse ich gerade andererseits irreparabel? Sollte ich mir wirklich schon wieder vier neue Bücher, Stücke, Texte bestellen? Wird die Datenbank für Theatertexte theatertexte.de merken, dass meine Angabe „freischaffender Regisseur“ (noch) eine sehr steile Behauptung ist? Und wie geil ist es bitte, mich mit den Inhalten, die mich interessieren, auseinandersetzen zu dürfen und zu können?