Folkwang

Folkwang... und dann? Mit Elisabeth Schüth

An einem herbstlichen Nachmittag wartet Folkwang StudiScout Robert, samt Tasse Schwarztee und einem Keks, auf den Anruf von Elisabeth Schüth. Sie hat sich bereit erklärt, Roberts Fragen zu ihrem Folkwang Studium der Musikwissenschaft mit Studienrichtung Konzert- und Musiktheaterdramaturgie und ihrem anschließenden Werdegang zu beantworten. Das Telefon klingelt, es kann losgehen:

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Folkwang Studentin Elisabeth Schüth | Foto: Picture People

 

Robert: Hallo Elisabeth, Danke für deine Zeit! Kannst du dich erst mal kurz vorstellen und erzählen, was du genau studiert hast?

Elisabeth Schüth: Mein Name ist Elisabeth Schüth, ich bin 30 Jahre alt und begann im Wintersemester 2016/17 den 1-Fach Master Musikwissenschaft mit der Studienrichtung Konzert- und Musiktheaterdramaturgie. Die Folkwang kenne ich allerdings schon mein ganzes Leben lang, weil meine Eltern beide dort studiert haben und meine Mutter bis heute im Fachbereich 2 Gesang lehrt.
Da ich zunächst breit gefächert studieren wollte, habe ich zuerst an der TU Dortmund Literatur-, Kultur-, Musik- und Wirtschaftswissenschaften studiert. Ab dem ersten Semester habe ich auch Praktika gemacht, unter anderem bei einem Festival in Dortmund, dann beim Gürzenich-Orchester Köln und beim WDR Funkhausorchester. Einmal in Köln, bin ich dort geblieben und habe in meinen letzten drei Bachelor-Semestern als studentische Hilfskraft in der Kölner Philharmonie als Assistentin in der Programmplanung gearbeitet.

Robert: Das klingt ja interessant. Was waren denn deine Aufgaben in der Philharmonie?

Elisabeth Schüth: Als Assistentin habe ich für die damalige Leiterin der Konzertplanung gearbeitet. Das hieß zum Beispiel ihre Reisen zu koordinieren, auf Programmvorschläge zu antworten und Kostenkalkulationen für Projekte vorzubereiten. Ein riesiger Vorteil war, dass ich zu jedem Konzert in der Philharmonie gehen durfte, was ich bestimmt drei Mal die Woche tat und so mein Repertoire vergrößern und viele interessante Menschen kennenlernen konnte. Das war natürlich super!

Robert: Und was hast du nach deinem Bachelor gemacht?

Elisabeth Schüth: Zwischen Bachelor und Master hatte ich beim hr-Sinfonieorchester in Frankfurt eine Trainee-Stelle im Orchestermanagement. Hier lagen meine Aufgabenbereiche hauptsächlich in der Planung von Tourneen und Gastspielen. Ich habe zum Beispiel eine Asien-Tournee organisiert und durchgeführt. Ansonsten hatte ich viel mit den Besetzungen und Bühnenaufbauten zu tun. Das heißt, ich habe in die Partituren geschaut und dann zusammen mit den Orchesterwarten die Aufstellung geplant – quasi das Musikalische in das Technische übersetzt.


Probe in Japan: Elisabeth Schüth war während ihrer Trainee-Stelle im
Orchestermanagement auf Asien-Tournee. | Foto: Hessischer Rundfunk


Robert: Da warst du ja eigentlich im vollen Berufsleben. Wie bist du denn auf die Idee gekommen, noch einen Master zu machen?

Elisabeth Schüth: Meine Erfahrungen im Orchestermanagement waren zum Großteil organisatorischer Art und noch während des Traineeprogramms habe ich gemerkt, dass mir das nicht reicht: Ich wollte inhaltlicher arbeiten. Also bewarb ich mich an der Folkwang und war sehr froh, dass es geklappt hat. Die Studienrichtung Dramaturgie fand ich reizvoll, da ich schon zu Schulzeiten gerne Wissen aufbereitet und Texte geschrieben habe. Darüber hinaus erhoffte ich mir tiefergreifende Einblicke in die Opernliteratur und das wissenschaftliche Arbeiten.

Robert: Und wie ging es dann weiter?

Elisabeth Schüth: Auch während des Masters konnte ich weitere berufliche Erfahrungen sammeln: Neben einer Dramaturgiehospitanz am Aalto Theater war ich einen Sommer bei den Salzburger Festspielen und anschließend in Teilzeit beim WDR Sinfonieorchester für die Mitarbeit bei den Programmheften beschäftigt. Nachdem ich in Essen keine Präsenzveranstaltungen mehr zu besuchen hatte, bin ich für das Schreiben der Masterarbeit 2019 nach München gezogen – und geblieben. Hier arbeite ich seit Februar für eine Konzertdirektion und damit zum ersten Mal bei einem privaten Veranstalter. Auf dem Programm steht hauptsächlich Kammermusik. Renommierte Ensembles, Solo-Rezitals oder Duo-Abende hätten meinen neuen beruflichen Alltag geprägt. Doch wegen der Corona-Zwangspause ist es erst einmal still geworden…

Robert: Beeinflusst dein Folkwang Studium deinen Arbeitsalltag? Was konntest du vom Master mitnehmen?

Elisabeth Schüth: Während meines Nebenjobs an der Oper, den ich während des Masters gemacht habe, definitiv. In den Vorlesungen und Seminaren haben wir gelernt, was bei der Entstehung von Werken noch alles drum herum passiert ist und (geistes-)geschichtlichen Einfluss auf die Komposition nahm. Der Blick über den Tellerrand – das Musiktheater beispielsweise mit Kunstgeschichte oder technischem Fortschritt in Verbindung zu bringen – hat mich total fasziniert. Mitgenommen habe ich außerdem ein größeres Opernliteratur- und Inszenierungsrepertoire. Weil ich inhaltliche Arbeit lernen wollte, war das also der beste Studiengang, den ich mir hätte wünschen können.
Aufgrund der Corona-Krise beschäftige ich mich derzeit eher mit Kund*innen, weniger mit Künstler*innen und Konzerten. Langfristig habe ich aber die Ambition, in der Programmplanung zu arbeiten, für deren Gestaltung dieses dramaturgische Denken von hoher Relevanz ist.

Robert: Jetzt zur Standard-Geldproblem-Frage: Kannst du in finanzieller Hinsicht davon leben?

Elisabeth Schüth: Ja, tatsächlich kam ich bei all meinen bezahlten Anstellungen im Orchester- und Veranstaltungsmanagement gut über die Runden. Klar, man kann es nicht mit einem Gehalt im Topmanagement vergleichen, aber sind wir mal ehrlich: Niemand geht in die Kultur, um richtig viel Geld zu verdienen. Meiner Meinung nach ist man sich im besten Fall anderer Vorteile dieses Berufsfelds bewusst, wie z.B. Energie, Lebensfreude, engagierte Teamarbeit und Motivation. Man sitzt oft im Konzert und ist der Überzeugung, den besten Job der Welt zu haben. Also wenn Geld nicht die oberste Priorität hat, und das sollte es besser nicht, dann kann man davon sehr gut leben.

Robert: Eine letzte Frage hätte ich noch: Hast du einen Rat speziell für Musikwissenschaftsstudierende?

Elisabeth Schüth: Wenn euch das Konzertmanagement interessiert, macht Praktika, baut euch ein Netzwerk auf und bewahrt euch einen Funken Demut der Kunst gegenüber. Seid euch also (gerade am Anfang eurer praktischen Erfahrung) nicht zu schade für irgendwas. Ich erinnere mich noch an mein erstes Praktikum als ich bei einem Open-Air Konzert durch einen verregneten Park gerannt bin, um für die Künstlerin noch eine Zitrone für ihr heißes Wasser zu suchen. Das war in dem Moment eine Aufgabe, mit deren Erfüllung ich meinen winzigen Teil zum erfolgreichen Konzert beitragen konnte. Ob es die Zitrone für die Sängerin war oder später der Flugzeugsitzplatz für einen Orchestermusiker mit Gehbehinderung – ich habe immer versucht, auch bei scheinbar banalen Tätigkeiten 100% zu geben und so für Vertrauen hinter der Bühne zu sorgen. Das hat mir wertvolle Weiterempfehlungen gebracht und dadurch viele weitere spannende Erfahrungen ermöglicht.

Robert: Vielen Dank, Elisabeth, für das Interview und deine Zeit, bis bald!


Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Robert Beseler / 30. November 2020