Zweimal ist sie ausgebrannt, zweimal größer und schöner wieder aufgebaut. Ob das nun Schicksal war oder vielleicht ein moderner „warmer Abbruch“, es bleibt Raum für Spekulationen. Und vor allem blieben Reste verschiedenster Baustile: karolinigsche Elemente in der Krypta, romanische Fensterbögen und der restaurierte mittelalterliche Kreuzgang mit deutlicher Spätgotik von etwa 1100.
Zwischen 1750 und 1800 entstand dann die Barockresidenz – unser Hauptgebäude. Der Fürstabt setzte damit ein deutliches Zeichen im Stil des Absolutismus. Als Ausdruck landesherrlicher Macht baute er sich einen Wohnsitz, der genauso hoch war, wie die Kirche. Offensichtlich hatte er keine Lust mehr, sich unterzuordnen.
Aber auch seine Tage waren gezählt. Kurz nach Fertigstellung des Torhauses – im Stil des Rokoko und mit einer Faunsmaske über dem Hauptportal (Bild), die aller Welt die Zunge rausstreckt - passierte etwas Einschneidendes: die Säkularisation.
Das war das Ende der Abtei. 1803 mussten auf Beschluss von Napoleon alle Mönche das Haus verlassen.
Von der Abtei zum Gefängnis.
Zum Glück hatten die Franzosen zu diesem Zeitpunkt schon neue Pläne.
Während anderenorts Abteibauten komplett abgerissen wurden, blieb unserer verschont und wurde zu einem Gefängnis umgebaut.
Als die Preußen die Franzosen in Werden beerbten – Napoleon war geschlagen – kam ihnen so ein Zuchthaus gerade recht. Sie behielten es und bauten an. Der Preußenflügel, ein Zweckbau des 19. Jahrhunderts entstand. Die Meierei dagegen (ehemaliges Wirtschaftsgebäude) wurde an drei Tuchfabrikanten erbverpachtet. Und so entstand die erste Werdener Tuchfabrikation; übrigens in unserer heutigen Mensa und den Räumen von Schauspiel und Physical Theatre. – Die „Neue Aula“ diente dabei als Lager.
Von 1811 bis 1928 wurde die mittlerweile geschlossene Anlage (ursprünglich gab es zwei Preußenflügel) als Strafanstalt genutzt; bis 1839 „für beide Geschlechter“. Bis zu 700 Gefangene mussten hier Schnitzen, Schneidern, Schustern und Schlossern.
Im Zweiten Weltkrieg dienten die mittlerweile leeren und arg strapazierten Räume der Kriegsmarine als Seeberufsschule. Schwere Bombenschäden (FOTOS) kamen hinzu, und dann kamen wir.
Folkwang bezieht die ehrwürdigen Mauern.
1946 bezog die Folkwangschule die Abtei. Vorher war in der Friedrichstraße unterrichtet worden.
Studenten füllten die alten Mauern mit neuem Leben und lernten hier „Musik, Tanz und Sprechen“. Ab 1948 folgte die „Folkwang Werkkunstschule“ mit dem gesamten gestalterischen Zweig von Fotografie, Bildhauerei, Bühnenbild bis zu Industriedesign, Grafik und vielen weiteren Disziplinen, die ihre Werkstätten und Räumlichkeiten nun gemeinsam mit den anderen Folkwangkünsten unter einem Dach hatten. Nach und nach wurde renoviert. Besonders in den 80er Jahren sollten Umbauten die alte Substanz wieder herstellen.
Aus der Gefängniszeit ist nur noch die ehemalige Zuchthauskapelle erhalten, das Pina Bausch Theater (bis Oktober 2009 "Alte Aula")
Seit 2003 steht der gesamte Folkwang-Abtei-Gebäudekomplex in einem kontinuierlichen Bau- und Renovierungsprozess, der vermutlich bis 2012 andauern wird. Parallel wird auf dem Werdener Campus auch ein exklusiver Bibliotheksneubau errichtet, der uns Räumlichkeiten für „die musikwissenschaftliche Bibliothek des Ruhrgebiets“ bescheren wird. Voraussichtliche Fertigstellung 2010.
Maiken-Ilke Groß / September 2008