Folkwang

My body is my Home (oder I’ll do it in a different way)

Junge Choreografen der Folkwang Universität der Künste zeigen ihre Arbeiten beim Festival »Tanz Bochum Tanz«

Die Tanzstudierenden werden nicht nur in Zeitgenössischem und Klassischem Tanz unterrichtet, sie haben darüber hinaus jedes Jahr die Möglichkeit, eigene Arbeiten zu entwickeln und im Rahmen der »Jungen Choreografen« öffentlich vorzustellen. Die diesjährige Auswahl der Stücke war nicht nur am Folkwang Campus Essen-Werden, sondern auch beim Festival »Tanz Bochum Tanz« in der Zeche 1 in Bochum zu sehen. Studi Scout Mona Leinung war vor Ort und sprach im Anschluss mit den NachwuchschoreografInnen Miriam Beike, Yen Lee, Patric Lindström, Magdalena Öttl und Monica Sicart Adell.

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Wenn ein paar hippe junge Leute in der Buslinie 353 Richtung Wiemelhausen Bochum anzutreffen sind, kann nur ein Festival in der Stadt sein. Sie sind auf dem Weg zur Zeche 1, wo seit 2015 auf Initiative von Pottporus dem Zentrum für Urbane Kunst - ein offener Trainingsraum und ein Schmelztiegel für Bewegung, Klang und Bilder entsteht. Wo sonst Lesungen, Workshops und freie Produktionen stattfinden, sind heute die Choreografien der Folkwang Studierenden unter dem Titel »Tanzlabor« in der alten Waschkaue zu sehen. Die gefliesten porösen Wände und die derben Industrieüberbleibsel der alten Halle scheinen ebenso wie das Publikum gebannt auf den großen Tanzboden in der Mitte des Raumes zu blicken und darauf zu warten, belebt zu werden. Während zum Start ein fulminantes 9-Mann-Stück mit tiefen Bässen und jede Menge Akrobatik brilliert, werden im weiteren Verlauf des Abends allerlei Stile und Themen aufs Tableau gebracht. Mal sehen wir ein düsteres Solo voller Erotik, mal lakonische Bewegungen zu verspielten Klängen und ein anderes mal sphärische Darbietungen, die uns an die fernen Welten indischer Tempeltänze erinnern.

 

Wie gestaltet sich der choreografische Prozess, wie findet man seine Themen und die entsprechenden Bewegungen dafür? »Natürlich wollen wir etwas kommunizieren, aber es ist schwer die richtige Sprache dafür zu finden ohne super dramatisch oder gekünstelt zu werden, vor allem wenn das Stück nur drei Minuten lang ist.« so Folkwang Tanzstudent Patric Lindström. Er sei bei seiner Arbeit besonders an biomechanischen Prozessen und mathematischen Gesetzen der Anatomie interessiert gewesen. Kommilitonin Miriam Beike hingegen erzählt, dass sie zu Anfang das Gedicht Nur eine Rose als Stütze von Hilde Domin auswählte, das sie mit ihren Kolleginnen Yen Lee und Monica Sicart Adell zu vertanzen gedachte. Während des Probenprozesses, zu dem schließlich auch drei Musiker stießen, entfernten sie sich dann immer weiter von ihrer Ursprungsidee. »Es ist wichtig, zu Anfang eine Idee zu haben, einfach nur ein Stück für den Abend beisteuern zu wollen, das funktioniert meist nicht. Aus der Idee formen sich dann die Bewegungen, das ist ein experimenteller Prozess mit offenem Ausgang, in dem man auch mal Rückschläge erlebt, Dinge streichen oder neu ausprobieren muss.«  resümiert Magdalena Öttl. Die unterschiedliche Herangehensweise der choreografischen Arbeit ist den 22 Stücken an diesem Abend nachzuempfinden: einige sind narrativ, andere eher an puren Bewegungen interessiert und wieder andere befinden sich in erstaunlicher Nähe zu Schauspiel oder Pantomime. Auch lässt sich an diesem Abend ein sehr feines Gespür für Kostüm und Musikauswahl erkennen. »My body is my home« ertönt es an einer Stelle, »I’ll do it in a different way« an anderer und ich frage mich, wie man die passende Musik für seine künstlerische Arbeit auswählt. Wenn man wie Miriam Beike, Yen Lee und Monica Sicart Adell mit Livemusikern arbeitet ist es sicher recht einfach. »Man kann sich gegenseitig lenken, tänzerisch auf die Motive der Musik reagieren und anders herum- und natürlich kann man eine Menge gemeinsam ausprobieren und improvisieren.« Da ist es deutlich schwieriger eine geeignete Musik vom Band zu finden, wie Magdalena Öttl erzählt: »Die Musik ist manchmal sehr dominant, sie bestimmt die Atmosphäre und provoziert bei den BetrachterInnen sehr klare Vorstellungen. Das will man nicht immer, vor allem wenn der Tanz dann dahinter verschwindet, weil er nicht ganz so leicht zugänglich ist wie die Musik. In meinem Fall habe ich versucht, damit umzugehen, die Bewegungen mal der Musik unterzuordnen, sie aber auch immer wieder dahinter hervorzubringen und die Führung übernehmen zu lassen.«


Zu guter Letzt will ich ganz naiv noch wissen, was denn nun ein gutes Stück ausmacht. »Wenn du etwas spürst danach, anders herausgehst, als du hineingekommen bist, vielleicht mit einem neuen Blick, einer anderen Idee von etwas.« sagt Patric Lindström. Nach den üppigen Sinneseindrücken an diesem Abend verlasse ich die Zeche 1 ganz bestimmt mit einem anderen Blick. »My body is my Home«, denke ich in der Buslinie 353, in der es jetzt deutlich ruhiger geworden ist als noch auf dem Hinweg, »oder my Castle, my Werkstatt oder my alte Waschkaue … egal welche Form er hat, er hat eine Menge zu erzählen.

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Mona Leinung / 26. Juni 2017