Folkwang

Mein erster Job im Orchester

Folkwang Studentin Ezgi su Apaydin im Interview

Wie bekommt man als Musikstudent*in eine Stelle im Orchester? Und welche Inhalte aus dem Studium sind später im Job besonders hilfreich? StudiScout Mihajlo Milošev sprach mit der Geigerin Ezgi su Apaydin (Bachelor Instrumentalausbildung) über ihren ersten Job im Folkwang Kammerorchester Essen, den sie während ihres Folkwang Studiums angetreten hat. Das Folkwang Kammerorchester ist ein internationales Ensemble aus jungen Musiker*innen mit Sitz in Essen.

 

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Folkwang Studentin Ezgi su Apaydin | Foto: privat

 

Wie bist du an den Job gekommen?

Ich habe an der Folkwang Pforte in einem Flyer gesehen, dass Geiger*innen für das Folkwang Kammerorchester gesucht werden. Ich wollte schon früher an einer Audition für dieses Orchester teilnehmen, habe aber die Bewerbungsfrist verpasst. Diesmal habe ich mich rechtzeitig beworben und vorbereitet. Das war meine erste Audition überhaupt.



Wie sieht eine Audition in diesem Orchester aus und wie hast du dich darauf vorbereitet?

Es ist quasi ein kleiner Wettbewerb mit drei Runden. Bewerber*innen spielen vor einer Jury und erhalten Punkte, die sie in die nächste Runde bringen. In der Jury sitzen mindestens sieben Orchestermitglieder und der Dirigent. In der ersten Runde wird ein Concerto gespielt, meistens eins von Mozart. In der zweiten Runde geht es weiter mit Orchesterstellen, also anspruchsvolle Parts für Geige aus Orchesterstücken. In der letzten Runde spielt man im Quartett mit Orchestermitgliedern. Meine Taktik, egal ob es um eine Audition oder um einen Wettbewerb geht, ist immer zu denken, dass ich zum letzten Mal spiele. Das bringt mich dazu, mein Bestes zu geben.

Was genau umfasst deine Stelle?

Unsere Projekte bestehen aus Proben und Konzerten. Projekte finden ungefähr alle zwei Wochen oder zehn Tage statt. Drei oder vier Tage vor der ersten Probe bekommen wir das Notenmaterial. Alle üben für sich und dann proben wir zusammen – wieder drei oder vier Tage, jeweils sechs Stunden. Danach kämen normalerweise ein oder zwei Konzerte, aber Corona-bedingt sind gerade alle abgesagt.

Wie hat sich dein Job durch die Pandemie geändert?

Ich habe mit dem Job ein paar Monate später angefangen, als ursprünglich geplant war. Ich war gerade in der Türkei und wollte für meine erste Probe nach Essen zurückkehren, aber dann wurden die ersten Corona-Maßnahmen eingeführt. Danach waren die Grenzen für lange Zeit geschlossen und ich bin vier Monate zu Hause in der Türkei geblieben. Gleichzeitig waren alle Konzerte und Proben abgesagt und es war nicht klar, ob es das Orchester überhaupt weiterhin geben wird. Als dann die Grenzen wieder geöffnet wurden, bin ich nach Deutschland zurückgekommen. Im Spätsommer konnten wir endlich weitermachen, dafür war ich sehr dankbar.

Natürlich ist Musizieren unter Hygienemaßnahmen etwas anders als normalerweise. Es gibt akustische Veränderungen, weil man nicht mehr so nah zueinander sitzen darf. In den ersten Proben mussten sich alle Musiker*innen erst daran gewöhnen. Das Schöne ist aber, dass dadurch jede*r einen eigenen Notenständer hat und so problemlos zu jedem Zeitpunkt die Noten gut sehen kann.

Wie passen der Job und dein Studium zusammen?

Ich finde es perfekt für Masterstudierende oder Studierende am Ende des Bachelors, wie es bei mir der Fall ist. Man hat einen Job in einem guten Orchester und kann viel lernen. Das Wichtigste für mich und meine berufliche Erfahrung ist, dass ich Stücke jetzt schneller lernen und verarbeiten kann. Man kommt in ein Orchester, dessen erfahrene Mitglieder schon sehr gut eingespielt sind. Als Jüngste muss ich umso besser vorbereitet sein, damit ich nicht hinterherhinke. Da es ein Kammerorchester und kein großes Symphonieorchester ist, sind die Instrumentengruppen kleiner. So ist es nicht am wichtigsten, dass ich als Geigerin mit anderen Geiger*innen perfekt zusammen spiele, sondern mit allen anderen Musiker*innen. Deswegen muss ich anderen Instrumenten wie Bratsche oder Cello intensiver zuhören. Ich musste meinen Klang anpassen - und somit mich selber.

Inwiefern hat dich das Studium an Folkwang für den Job vorbereitet?

Es hat mich in dem Sinne vorbereitet, dass ich von Anfang an mit fantastischen Musiker*innen arbeiten konnte und viel von ihnen gelernt habe. Neben dem Hauptfach nämlich auch in Kammermusik- und Orchesterprojekten. Ich habe einen großen Unterschied zwischen der Vorbereitung der Hochschulprojekte und meinem Job gemerkt, zum Beispiel in Bezug auf die Verantwortung. Obwohl es mir sehr wichtig ist, dass die Hochschulprojekte gut laufen, ist es in einem Job eine andere Ebene der Vorbereitung mit mehr Verantwortung. Zum Beispiel: In einem Hochschulprojekt üben wir mehr gemeinsam in den Proben, und im Job übt man mehr für sich selber und weniger in den Proben.

Was soll man im Studium beachten, wenn man ein Orchesterjob als Ziel hat?

Ich würde sagen Orchesterstellenunterricht. Orchesterstellen sind ohne Publikum und alleine sehr schwer zu spielen. Sie sind unangenehm, aber sehr wichtig, auch wenn sie oft sehr kurz sind und so aussehen, als wären sie leicht zu spielen. Man sollte sie besonders beachten und jeden Tag üben, auch wenn man denkt, dies sei nicht nötig. Wenn man sie täglich übt, kann bei einer Audition fast nichts schief gehen.

Hast du Empfehlungen für andere Folkwang (Musik-)Studierende für die Jobsuche?

Am wichtigsten ist bestimmt, dass man lernt, sich bei den Auditions zu entspannen. Ich war letztens auch Jurymitglied. Viele gute Musiker*innen sind nicht in die nächste Runde gekommen, weil sie einfach viel zu nervös waren. Der Trick in diesem Job ist, die Emotionen auf der Bühne zu kontrollieren. Man kann den ganzen Tag üben, aber das bringt nichts, wenn man sich auf der Bühne nicht beruhigen kann.



Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Mihajlo Milošev / 27. Januar 2021