Das Leben geht auch während der Corona-Pandemie weiter. Dazu gehört auch ein Studium unter veränderten Bedingungen abzuschließen. Tamon Yashima, der Integrative Komposition (B.Mus.) mit den Hauptfächern elektronische und instrumentale Komposition an Folkwang studierte, hat sein „Tschüss, Folkwang!“ leider unter Pandemiebedingungen sagen müssen. StudiScout Robert hat vor und nach seiner Prüfung online mit ihm gesprochen.
Hier erfahrt ihr, wie Tamon die letzten zehn Tage seiner Prüfung angegangen ist und wie er sein Abschlusskonzert vorbereitet hat.
Robert: Wie planst du aktuell deinen Abschluss?
Tamon: Eigentlich hatte ich vor, Stücke für größere Besetzungen zu komponieren. Aber dann habe ich mich für ein Soloprojekt entschieden, auch um mit Blick auf Corona sicher planen zu können. Letztendlich habe ich nur für Klarinette komponiert. So waren Themen wie Raumgröße und Abstände einfacher zu handhaben.
Robert: Schön, Klarinette mag ich selber ziemlich gern! Wer spielt denn deine Kompositionen?
Tamon: Heni Hyunjung Kim, eine Alumna der Folkwang. Sie ist eine Spezialistin für zeitgenössische Musik und hat in dem Bereich viel Erfahrung. Sie wohnt jetzt in Frankfurt, kommt aber trotzdem für das Projekt nach Essen. Es wäre meiner Meinung nach keine andere in Frage gekommen, denn meine Stücke sind für B-Klarinette, Bassklarinette und Kontrabassklarinette. Das ist ziemlich schwer; sie macht es aber beruflich und kann das richtig gut!
Robert: Was hast du für das Konzert genau geplant, wie läuft es ab?
Tamon: Es werden insgesamt drei Kompositionen gespielt. Die erste besteht aus Video, Live-Elektronik und B-Klarinette, die zweite ist mit Bassklarinette und elektronischer Zuspielung, und zuletzt gibt es ein Werk für Kontrabassklarinette. Das Video-Stück zum Beispiel besteht aus vielen performativen Aspekten, die Kamera nimmt die Live-Situation auf, um sie später wiederzuverwenden. Deswegen muss Heni auch visuell agieren: Sie muss sich beim Spielen auch bewegen. Dabei zusätzlich ein Multiphonic (gleichzeitiges Erzeugen von mehr als einem Ton) zu spielen, ist nicht einfach. Vor ein paar Jahren war die Kontrabassklarinette in der Solo-Literatur eine Seltenheit, aber da Heni eine besitzt, wollte ich diese Chance nutzen, etwas dafür zu schreiben.
Robert: Gab es bei der Vorbereitung Hürden?
Tamon: Ja, zum Beispiel technische Probleme, die einfach unvorhersehbar sind. Wenn man probt, tauchen oft Programmierfehler auf, die ich dann lösen muss. Sonst gibt es auch künstlerische Hürden, da es leider nicht so ist, dass man komponiert und das Stück dann sofort fertig ist. In der Probenarbeit ändere ich noch vieles. Corona-bedingt gibt es nicht so viele Probleme. Wahrscheinlich, weil ich mit der Wahl der Besetzung dafür vorgesorgt habe. Heni und ich konnten im Rahmen der Corona-Regelungen im ICEM für das Abschlusskonzert proben und arbeiten. Außerdem ist es sehr entspannt, dass die Tontechnik der Folkwang, im Gegensatz zu nicht Pandemie-Zeiten, mehr Zeit hat und mich so noch besser betreuen konnte.
Robert: Wie lange geht das Konzert?
Tamon: So etwa 45 Minuten. Zwischen den Stücken gibt’s auch elektronische Interlüden, so kann Heni ein bisschen Pause machen und sich entspannen. Zugleich passiert ein dramaturgischer Übergang, der alles einheitlicher und runder macht.
Eine Woche nach seinem Konzert treffe ich mich wieder zum Online-Interview mit Tamon. Wie es lief und wie es ihm nun geht, lest ihr hier:
Robert: Na, wie war es?
Tamon: Es war toll! Zwei Tage vor der Prüfung hatten wir Zeit in der Neuen Aula zu proben, am Tag davor haben wir die Aufnahme gemacht. Insgesamt hatte ich viel Unterstützung, die Tontechnik vom ICEM war voll dabei. Technisch sind vor der Prüfung ein paar kleinere Probleme mit dem Mischpult aufgetaucht, aber das war nichts Gravierendes. Tatsächlich war künstlerisch noch ziemlich viel zu tun, wir haben bis zum Schluss noch viel geprobt. Es ist so, dass ich an meinen Kompositionen immer noch ein bisschen ändern will. Das ist eine Tamon-Krankheit, ich will an denen immer rumfeilen.
Robert: Das haben ja auch die größten gemacht: Beethoven, Bruckner…
Tamon: Das stimmt, aber mit denen kann ich mich nicht vegleichen! Ich fühle mich echt erleichtert, es war eine sehr stressige Vorbereitungszeit. Ich überschätze mich gewissermaßen kalkuliert: Von 10.00 bis 18.00 Uhr wurde geprobt, ab 18.00 Uhr habe ich mich an den PC gesetzt und Bugs eliminiert oder Änderungen an der elektronischen Zuspielung vorgenommen. Danach war ich echt kaputt!
Robert: Und wie hast du die besonderen Rahmenbedingungen deiner Prüfung erlebt, gab es da auch positive Aspekte?
Tamon: Ja, ich hatte sehr viel Zeit, um mit der Klarinettistin zu arbeiten und für mich ungewöhnliche Formate, wie das Video, zu finden. Das wäre vor der Pandemie so nicht passiert, denn da war viel mehr los und man hatte wegen anderer Projekte einen volleren Terminkalender. Außerdem nimmt man für einen Kompositionsabschluss in der Regel ältere Stücke und recycled sie. Jetzt konnte ich völlig neue Stücke schreiben. Man bekommt ja in der Neuen Musik selten die Chance, ganze 50 Minuten Musik zu komponieren.
Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.
Robert Beseler / 07. Juni 2021