Kurze Geschichte des Instituts für Zeitgenössischen Tanz der Folkwang Universität der Künste

von Stephan Brinkmann
Mitarbeit: Maiken-Ilke Groß, Prof. Lutz Förster

1927 _Gründung der „Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen“ durch den Operndirektor Rudolf Schulz-Dornburg, den Choreographen Kurt Jooss, den Städtischen Musikdirektor Max Fiedler, den Bühnenbildner Hein Heckroth u.w. in einem Schulgebäude in der Friedrichstr. 34 in Essen. Jooss war gleichzeitig auch Gründer und Leiter der Tanzabteilung. Tanzausbildung ist für Jooss auch eine allgemeine Kunsterziehung. Es geht ihm darum, den Körper als künstlerisches Instrument optimal herauszubilden – immer mit einer deutlichen inneren Haltung. Ehrlichkeit, Genauigkeit, Authentizität sind wichtige Begriffe. Jooss baut auf der Bewegungslehre von Rudolf von Laban auf und arbeitet eng mit Sigurd Leeder zusammen.

1928_ An der Folkwangschule wird das „Folkwang-Tanztheater-Studio“ als Experimentalgruppe gegründet.

1930_ Das „Folkwang-Tanztheater-Studio“ wird zum ständigen Ensemble des Essener Opernhauses und geht als „Folkwang-Tanzbühne“ auf Gastspielreisen.

1932_ Vorübergehende Schließung der Schule für Musik, Tanz und Sprechen wegen der Weltwirtschaftskrise.

          _1. Preis für die Choreographie „Der grüne Tisch“ (U.A.) von Kurt Jooss mit der „Folkwang-Tanzbühne“ beim Internationalen Choreographie-Wettbewerb in Paris.

1933_ Kurt Jooss emigriert in einer dramatischen Nachtaktion in die Niederlande. Sein Gerechtigkeitsgefühl und sein Widerstandsgeist haben ihn in Konflikt mit der NSDAP gebracht: Er ist nicht bereit sich von den jüdischen Mitgliedern seines Ensembles zu trennen. Er wird gewarnt, die NSDAP-Gauleitung beabsichtige, ihn in Haft zu nehmen. Per Bus  flieht er nach Maastricht; mit ihm der größte Teil seiner Kompanie. Von dort aus brechen die „Ballet  Jooss“ zu ihrem Gastspieldebut in New York auf. Sigurd Leeder bleibt zunächst in Essen, um die Schule weiterzuführen, folgt Jooss aber wenig später in die Emigration nach Dartington Hall in England. Gemeinsam mit Kurt Jooss gründet er dort 1934 die Jooss-Leeder-School of Dance.

1934_Albrecht Knust wird zum neuen Leiter der „Fachschule für Tanz“ berufen. Nach öffentlicher und interner Kritik legt er die Aufgabe nach einem Jahr nieder.

1935 bis 1949_ Trude Pohl, Schülerin von Kurt Jooss, wird Leiterin der Tanzabteilung. Während des NS-Staats werden tanz und kulturpolitische Forderungen des nationalsozialistischen Regimes erfüllt. Trude Pohl übernimmt auch die Leitung des Folkwang-Tanzstudios und präsentiert das Ensemble mit Unterstützung des Propagandaministeriums im In- und Ausland.

1949_ Kurt Jooss übernimmt nach Rückkehr aus dem Exil erneut die Leitung der Folkwang Tanzabteilung, die sich seit 1946 in der ehemaligen Benediktiner-Abtei in Essen-Werden befindet. An seiner Seite Hans Züllig, einer der prägenden Solisten des „Ballets Jooss“. Ausbildungsziel ist es, den Studierenden ein größtmögliches Bewegungsbewusstsein zu geben. Neben dem Hauptfach Moderner Tanz wird das Unterrichtsfach Klassischer Tanz eingeführt. Sigurd Leeder gründet seine eigene Schule in London (1947 bis 1959), leitet die Tanzabteilung der Universität von Santiago der Chile (1959-1964) und die Sigurd Leeder School of Dance in Herisau, Schweiz (1964 bis 1981).

1951_ Erste Vorstellung des neu gegründeten Folkwang Tanztheaters der Stadt Essen.
1953_ Einstellung des Folkwang-Tanztheaters wegen fehlender Subventionen.

1958_ Erstmalige Verleihung des Folkwangpreises durch die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Folkwangschule an Pina Bausch (Tanz) und Werner Sindemann (Gesang).

1961_ Einrichtung der „Meisterklasse Tanz“ durch öffentliche Zuschüsse u.a. durch den WDR. Aus der Meisterklasse entsteht so wieder das „Folkwangballett“. Für dieses Ensemble choreographieren u.a. Jean Cébron, Antony Tudor, Lucas Hoving und Gigi Caciuleanu.

1967_ Die Folkwang Hochschule wird in die Trägerschaft des Landes NRW übernommen. (Die Lehrenden werden teilweise Professoren).

1969_ Prof. Hans Züllig wird Leiter der Tanzabteilung sowie des Folkwangballetts. Die künstlerische Leitung des Ensembles überlässt Hans Züllig Pina Bausch. Sie behält diese Aufgabe bei, bis man ihr 1973 die Ballettleitung in Wuppertal anbietet.

1975 bis 1977_ Reinhild Hoffmann und Susanne Linke leiten gemeinsam das Folkwangensemble, dass nun wieder „Folkwang-Tanzstudio“ (FTS) heißt. Diesen Namen trägt es bis heute.

1983_Pina Bausch wird Leiterin der Folkwang Tanzabteilung. Außerdem übernimmt sie erneut die künstlerische Leitung des FTS. Hans Züllig geht in den Ruhestand.

1989_ Pina Bausch gibt die Leitung der Tanzabteilung ab. Die künstlerische Leitung des FTS bleibt bis zu ihrem Tod im Jahr 2009 bei ihr.

1992_Prof. Lutz Förster wird Beauftragter für den Studiengang Tanz.

1997_ Der Studiengang Tanz bekommt den Deutschen Kritikerpreis. In der Begründung dazu heißt es: „Künstlerisches Talent gelangt zur Entfaltung meist erst auf der soliden Basis handwerklicher Fähigkeiten. Der Folkwang-Tanz hält die delikate Balance der Vermittlung zwischen Tradition und Innovation seit Jahrzehnten auf höchstem Niveau.“

1999 bis 2008_ Das Folkwang Tanzstudio steht unter der gemeinsamen künstlerischen Leitung von Pina Bausch und Henrietta Horn.

2009_Prof. Rodolpho Leoni und Prof. Lutz Förster übernehmen gemeinsam die Leitung des FTS.

          _ im Oktober wird die Alte Aula zu Ehren der verstorbenen langjährigen Folkwang-Persönlichkeit Pina Bausch umbenannt in „Pina Bausch Theater“.

2011_ Am 1. Oktober nimmt das Institut für Zeitgenössischen Tanz (IZT) seine Arbeit auf. Das IZT wird durch einen Vorstand geleitet. Die Institutsleitung übernimmt Prof. Lutz Förster. Die Leitung des FTS liegt nun bei Prof. Rodolpho Leoni. Das IZT ist eine künstlerische Einrichtung der Folkwang Universität der Künste. Es intensiviert die Zusammenarbeit zwischen den Studiengängen Tanz, dem FTS und dem Folkwang Tanzarchiv. Bachelor und Masterstudiengänge werden eng miteinander verzahnt. Darüber hinaus werden verstärkt Kooperationen mit tanzbezogenen Einrichtungen eingerichtet wie z.B. dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, der Pina Bausch Foundation, dem Choreographischen Zentrum PACT Zollverein, dem Tanzhaus NRW, der Ausbildungskonferenz Tanz, dem Hochschulübergreifenden Zentrum Berlin (HZT), Pottporus e.V. Bochum, dem Centre National de Danse Contemporaine in Angers u.a.

2012_ Prof. Lutz Förster übernimmt die künstlerische Leitung des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch. Neue Institutsleiterin wird Prof. Malou Airaudo. An ihrer Seite: Prof. Dr. Stephan Brinkmann und Prof. Rodolpho Leoni.

2016_ Prof. Lutz Förster legt die künstlerische Leitung des Tanztheaters Wuppertal nieder und nimmt seine Lehrtätigkeit an Folkwang wieder auf.

2017_ Das Institut wird durch den Vorstand bestehend aus Prof. Malou Airaudo, Prof. Dr. Stephan Brinkmann und Prof. Ingo Meichsner geleitet.

2018_ Nach dem altersbedingten Ausscheiden von Prof. Malou Airaudo und Prof. Lutz Förster übernimmt Prof. Dr. Stephan Brinkmann die Leitung des Instituts. An seiner Seite im Vorstand sind Prof. Etsuko Akiya und Prof. Ingo Meichsner.