Die Abschlussinszenierung von Jakob Arnold, Regie-Student der Folkwang Universität der Künste, wurde im November 2017 in der Black Box des Folkwang Theaterzentrums am Campus Bochum aufgeführt.
Jakob Arnold, 28, gebürtiger Oberfranke, absolvierte zunächst ein geisteswissenschaftliches Studium in München. Parallel dazu assistierte er u. a. am Residenztheater München, arbeitete in der freien Theaterszene als Schauspieler und gründete eine Theatergruppe, mit der er antike Stoffe auf die Bühne brachte. 2014 begann er sein Regie-Studium an der Folkwang Universität der Künste, das er mit einer Inszenierung von Die Kontrakte des Kaufmanns von Elfriede Jelinek abschließt.
Geld macht nur Spaß, wenn man gewinnt. Verliert man es, hört der Spaß auf. So wie für uns Kleinanleger seit Beginn der Weltfinanz- und Bankenkrise. Das Geld war plötzlich weg, aber wohin?
Elfriede Jelineks „Die Kontrakte des Kaufmanns“ waren 2009 das Stück der Stunde und an vielen Orten in Europa zu sehen, u. a. in Avignon, Athen, Wien, Zürich. In ihrem Work-in-progress-Stück legt die Nobelpreisträgerin Kleinanlegern und Börsenzockern lange Monologe in den Mund, welche Naivität, Skrupellosigkeit, Zynismus, Systemgehorsam und andere Wahrheiten der Geldbehandlung beschreiben. In ihrem mäandernden Stil aus Klugheit und Kalauern, Analyse und Attacke entsteht so ein stetig von ihr weiter geschriebenes Tagebuch der Systementlarvung. Die unterschiedlichen Formen, die aus Jelineks Material erwachsen sind, haben dabei stets eins gemein: Man kann sie auch in zehn Jahren noch spielen, denn die Krise war kein Pech, sie ist Teil des Programms.
Zum Hintergrund des Stückes:
Guter Kaffee und feine Delikatessen – der Name „Meinl“ steht für eine der angesehensten Kaufmannsfamilien in Österreich. Das Firmenemblem – der sogenannte „Meinl-Mohr“, ein dunkelhäutiger Junge mit rotem Fes – ist ein weithin bekanntes Werbemotiv: soll es doch auf Tradition und Weltgewandtheit verweisen, zwei Attribute, mit denen sich Julius Meinl V., Spross und Boss der Meinl-Dynastie, heute noch schmückt.
Ins Zwielicht geriet der „gute Name Meinl“ im Jahr 2008, als im Zug der Finanzkrise zahlreiche betrügerische Aktivitäten der Meinls ans Tageslicht kamen, die bis heute nicht zur Gänze aufgearbeitet sind. Sie bilden die Blaupause für Elfriede Jelineks bittere Abrechnung mit einem zerstörerischen, der materiellen Realität entkoppelten Finanzsystem, in dem Werte und Worte zu leeren Hülsen geworden sind, die willkürlich Gewinne und Verluste generieren.
Schon lange hatte die Familie ihren Schwerpunkt vom Lebensmittel- ins Bankengeschäft verlagert. Die Wiener Meinl-Bank ist eine der mächtigsten in Österreich. Im Jahr 2002 entschied Julius Meinl, die Bankgeschäfte um Derivat- und Spekulationsgeschäfte zu erweitern, indem er unter anderem den Immobilienfonds „Meinl European Land“ (MEL) auflegte – ein Fonds, der im Steuerparadies Jersey gemeldet war und der vor allem in osteuropäische Länder investierte. Risiko-Investitionen wurden als mutige Schritte für ein gesamteuropäisches Projekt angepriesen.
Kraft ihres renommierten Namens sowie geschickter Werbung gewann der Fonds zahlreiche Kleinanleger als Kunden. Nichtsahnend verstrickten sich die Anleger jedoch in ein perfide verzahntes System, in dem Immobilienfonds und Mutterbank durch teils legale, teils illegale Tricks wechselseitig hohe Gewinne generierten.
Als es im Zuge der geplatzten Immobilienblase 2007 zum Totalausfall der MEL-Wertpapiere kam, verloren die Anleger einen Großteil ihres angesparten Vermögens und gingen vor Gericht. Während der Fonds im Zuge des Prozesses aufgelöst wurde, blieben die Verantwortlichen der Meinl-Bank – insbesondere Julius Meinl – vom Gesetz eitestgehend verschont. Gegenwärtig ist das System Meinl aufgrund weiterer Betrügereien, etwa der Geldwäsche auf Zypern, wiederum im Fadenkreuz von Ermittlungen.
Mitwirkende:
Regie: Jakob Arnold
Bühne: Christian Blechschmidt
Kostüm: Nathalie Himpel
Spiel:
Rocco Brück
Halina Martha Jäkel
Lucas Janson
Hanni Lorenz
Marie-Paulina Schendel
Linus Schütz
Leitung:
Prof. Lisa Nielebock
Prof. Hanns-Dietrich Schmidt
Trailer: