Pressestimmen 

„Da kommt nicht nur das Blut in Wallung“

WAZ Essen, 15.02.2011
Dagmar Schenk-Güllich

Poesie durch und durch. Dabei ging es um das Leben als solches, um ein kämpferisches Leben, das das Blut immer wieder zum Wallen bringt. „Sanguis“ (Blut) sah man wiederaufgeführt, vom Folkwang Tanzstudio, ein Tanzwerk, das der ehemalige Folkwang-Schüler Urs Dietrich bereits vor zwanzig Jahren für das FTS geschaffen hatte und das er jetzt als Gastchoreograph mit dem Ensemble wieder neueinstudierte.
Eine Premiere war das, bei der man ein herumwirbelndes, von zehn auf sechzehn Tänzer vergrößertes Ensemble bewundern konnte. Ausdauer, Kampfeslust, Feuer waren vorherrschende Elemente. Dennoch beherrschte poetischer Geist, eine gewisser Minimalismus und Strenge die Szenerie. Schwarze Kleidung, Naturgeräusche, dröhnende Bachsche Orgelmusik unterstrichen die Unerbittlichkeit dieser Geschlechterkämpfe wie der Gruppenauseinandersetzungen und der rituellen Kampfeshandlungen.
„Komplexer“ sagt Urs Dietrich, sei diese neue Version nun geworden. Es stimmt. Die Szenen greifen ineinander. Im Gedächtnis bleibt dem Betrachter die Erinnerung an ein großes Wallen. Da wallen die Tänzer durch die Luft, sie wälzen sich auf dem mit Sand bedeckten Boden, da wehen die Mähnen, da wehen die Kleider. Das ist alles sehr malerisch, sehr aufregend, manchmal – selten- auch leise.
Etwa, wenn eine Frau einen Mann anzieht und ihm offensichtlich Mut zuspricht. Auch der Folkwang-Humor und –Hintersinn kommt zum Ausdruck. Wenn sich die Paare wie Marionetten bewegen und sich schließlich gegenseitig die virtuellen Schnüre, an denen ihre Gliedmaßen aufgehängt sind, durchschneiden.
Eindrucksvolle Bilder gelingen Urs Dietrich auch für Anfang und Ende des Lebens: Mit weißem Tuch ist ein lebloser Körper bedeckt, das rhythmische Wallen des Blutes durch die Adern dröhnt durch den Saal. So beginnt das Tanzstück. Am Ende ist es still. Eine Frau trägt ein Licht auf die abgedunkelte Bühne, eine Gruppe sich Umarmender zieht sich in Trauer auf sich selbst zurück. Das Publikum feierte die wunderbaren Tänzer und den Choreografen.

„Mitreißend intensiv“

Werdener Nachrichten,18.02.2011

Selten war Tanz so nachvollziehbar und daher besonders intensiv mitzuerleben wie bei der Neuinszenierung von „Sanguis“. Spieler, Boshafte und Intrigante, sie alle manipulierten und der letzte Kämpfer blieb misstrauisch. Das starke Finale der Tänzer endete im Licht einer Kerze, versammelte das herausragende Ensemble; und dann erlosch auch dieses letzte Glühen. Es machte den langen Applaus und den vielen Vorhängen Platz, die diese ausverkaufte Aufführung bewundernd mit Beifall belohnte.
Lautes Meeresrauschen und tonnenweise Sand auf der Bühne. Ohne Vorhang hatte die Zuschauer die Neue Aula offenherzig empfangen. Schon beim Suchen der Plätze wurde der Besucher eingestimmt.
Das Tanzstück begann unvermittelt. Durch das Lichtkreuz auf dem Sandboden erschloss sich der erste Eindruck. Harmonie – Chaos – Hinterhalt – Streit. Es beeindruckte die Tücke einer im letzten Moment weggezogenen Hand. Die Tänzerin fiel wie ein Baum rückwärts, nahöstliche Kampftechnik zeigte sich tänzerisch veredelt, das Zusammenspiel von Mann und Frau im pas-de-Deux von berauschender Intensität. Seltene Momente, in dem der Zuschauer die Interaktion der Tänzer fühlen konnte, aber viele in denen die Choreographie sich als stark erwies, ebenso die Lichttechnik und das fernöstlich ästhetisch zurückhaltende Bühnenbild. Nur in einer Szene wiederholte sich, was schon gezeigt wurde; dessen hätte es bei diesem großen gezeigten Einfallsreichtum nicht bedurft.
Die Kostüme teilten die Geschlechter nach der nackten Geburt zu Anfang im Halbdunkel. Sakkos und erotische Kleider mit Strümpfen und Stiefeln erzeugten ihren eigenen Kontrast in Schwarz. Niederwerfen, aufstehen, an Fäden gezogene Marionetten und ihre beschnittenen Fäden. Ebenso reizten Johann Sebastian Bach und David Bowie im musikalischen Kontrast.