Folkwang

Folkwang trauert um Godehard Joppich

Der Theologe, Kantor, Gregorianik-Experte und ehemalige Hochschulprofessor Godehard Joppich ist am 19. Dezember im Alter von 92 Jahren in Rodenbach bei Hanau verstorben.


KMD Prof. Dr. theol. Stefan Klöckner, langjähriger Folkwang Professor für Musikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gregorianik und Geschichte der Kirchenmusik und Nachfolger von Godehard Joppich, erinnert sich in einem persönlichen Nachruf:

 

Foto: Godehard Joppich

Foto: Godehard Joppich

 

Vom erklingenden Wort inspiriert – Godehard Joppich verstorben

Manchmal passiert es, dass das Wirken eines Menschen in eine zu ihm passende Epoche fällt, die genau ihn braucht und die er prägen kann. Man spricht dann von einem kairos, einem günstigen und guten Zeitpunkt.


In so einen kairos fiel Godehard Joppichs wissenschaftliche und praktische Arbeit am und mit dem Gregorianischen Choral. 1932 in Breslau geboren, kam Joppich als Kind nach Bayern, wo er nach dem Schulbesuch in das fränkische Benediktinerkloster Münsterschwarzach eintrat. Nach dem Studium der Theologie (das er mit einer Promotion in Dogmatik abschloss) und Priesterweihe folgte das Kirchenmusikstudium in Rom; von 1970 bis 1989 war er erster Kantor seines Klosters. In Rom lernte Joppich den französischen Benediktinerpater Eugène Cardine kennen, der seit den 1950er Jahren dort Gregorianischen Choral unterrichtete und die Lehre von der Interpretation der Gesänge nach den frühmittelalterlichen Handschriften (gregorianische Semiologie) begründete. Joppich wurde Cardines profiliertester Schüler und einer der europaweit führenden Erforscher und Interpreten des Gregorianischen Chorals. Sein Wirken als Lehrer fiel in die Zeit eines kirchenmusikalischen Aufbruchs in Deutschland: Das II. Vatikanische Konzil hatte zwar das Latein als alleinige Liturgiesprache abgelöst; zugleich war jedoch besonders in den 1970er und 1980er Jahren das Interesse am lateinischen Liturgiegesang exorbitant angewachsen. Joppich unterrichtete u.a. in München (1973-1980) und Essen (dort an der damaligen Folkwang Hochschule als erster hauptamtlicher Professor für Gregorianik und Liturgik 1980-1993). Zu den von ihm initiierten und geleiteten Internationalen Essener Sommerkursen strömten die Massen: Mit fast 200 Teilnehmenden sprengte das Auditorium beinahe die feuerpolizeilich zugelassene Grenze der damaligen Räumlichkeiten!


Joppich war als Lehrer eine faszinierende und begeisternde Persönlichkeit, die einen in den Bann zu ziehen und ein Feuer der Begeisterung für den Gregorianischen Choral zu entzünden vermochte, das in nicht wenigen seiner zahlreichen Schülerinnen und Schülern bis auf den heutigen Tag brennt. Sein Wirken war von einer tiefen theologisch geschulten Spiritualität geprägt, die ihn lebenslang – auch nach seinem Austritt aus dem Benediktinerorden 1990 – begleitete. Gregorianischer Choral war für Joppich nicht etwa eine klangliche „Behübschung“ des Gottesdienstes oder ein kulturästhetisches Relikt der Erinnerung an vermeintlich bessere kirchliche Zeiten: Er lehrte, dass es sich hier nicht primär um ein musikalisches Geschehen, sondern um erklingenden Text der Heiligen Schrift handelt. Dabei ging es ihm vor allem um die Aktualität der christlichen Botschaft: Das Wort von der Erlösung, von der Zuwendung Gottes zum Menschen, wird immer wieder neu zum lebendigen Klang in der feiernden und singenden Gemeinde! Wer je erlebt hat, wie dieser Mann – begabt mit einer exzellenten Kenntnis der Heiligen Schrift und der lateinischen Sprache – rhetorisch hoch virtuos und doch existenziell den Inhalt der gregorianischen Gesänge umzusetzen vermochte, der wird das wohl nie vergessen können!


Aber nicht nur auf dem Gebiet des lateinischen, sondern auch in der Schaffung des deutschen Liturgiegesangs erwarb sich Godehard Joppich große Verdienste: Seit der liturgischen Reform des II. Vatikanischen Konzils Ende der 1960er Jahre erarbeitete er im Geiste der lateinischen Vorlagen ein deutsches Stundengebet für die Mönche seines Klosters und schuf hierbei ein maßstabsetzendes „Deutsches Antiphonale“ – bis heute einer der überzeugendsten Beiträge auf diesem Gebiet!


Godehard Joppich verließ 1993 die Hochschule in Essen, weil er – der Theologe – dort kein Promotionsrecht für Musikwissenschaft zugesprochen bekam. Zudem sanken in den Kirchenmusikausbildungen bundesweit die Studierendenzahlen immer mehr ab. Den notwendigen Wechsel hin zu einer anderen Verankerung des Faches Gregorianik z. B. in der Musikwissenschaft hat Joppich also leider nicht mehr mitgestalten können, wiewohl ihm die Folkwang Hochschule 2007 als reumütige Korrektur ihres früheren Fehlers und in Anerkennung seiner großen einschlägigen Verdienste den ersten und bis dato einzigen Ehrendoktortitel in Musikwissenschaft verlieh – nicht die einzige Ehrung übrigens: Der Allgemeine Cäcilienverband Deutschlands ehrte ihn 2002 mit der Orlando-di-Lasso-Medaille, und 2018 erhielt er den Preis der Europäischen Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd.


Am 19. Dezember 2024, wenige Tage nach seinem 92. Geburtstag, ist Godehard Joppich in Rodenbach bei Hanau gestorben.

 

KMD Prof. Dr. theol. Stefan Klöckner

 

Der persönliche Nachruf ist zuerst erschienen auf www.nmz.de.

 

07. Januar 2025