Folkwang

folkwang ist… Selbstorganisation

Seit gut anderthalb Monaten und bis auf Weiteres gilt an Folkwang das Betretungsverbot für Studierende. Wie verbringen die Studierenden ihre Tage in dieser Situation? Was sind Vor- und Nachteile des Online-Studiums und wie kann man mit weniger konkreten Zielen positiv und fleißig bleiben? Und wie schafft man sich den passenden zeitlichen Rahmen, der normalerweise vom Uni-Alltag bestimmt wird?

StudiScout Mihajlo Milošev sprach darüber mit den Bratschistinnen Milena Geraedts und Lucía Molina Álvarez aus den Klassen von Prof. Lubbe und Prof. Cantor.

Milena Geraedts | Foto: privat
Milena Geraedts | Foto: privat
Lucía Molina Álvarez | Foto: Marta Suárez Cota
Lucía Molina Álvarez | Foto: Marta Suárez Cota

Gerade findet der Unterricht an Folkwang auf vielfältige Art und Weise online statt. Wie sieht das bei euch aus?

Milena: Außer, dass wir regelmäßig Videos schicken und Feedback als Text, Video oder direkt per Skype bekommen, funktioniert der Rest der Veranstaltungen sehr unterschiedlich. Man nutzt verschiedene Formate – von Zoom über YouTube bis hin zu einfachen Online-Diskussionen per E-Mail oder dem Schreiben von Essays. Am Anfang des Semesters hatten wir eine Etüde-Challenge, die sogenannte „Corona-Kreutzer-Challenge“, wo jede*r Student*in eine speziell gewählte Etüde eine Woche lang geübt hat, und zwar jede Woche eine neue. Dafür haben wir auch regelmäßig Feedback bekommen. Allerdings sind Klassenvorspiele aus verschiedenen Gründen schwer zu organisieren – etwa dann, wenn Korrepetition eine Rolle spielt.

Lucía: Wir müssen jede Woche zwei Videos an Prof. Cantor schicken: Jeweils eine neue Etüde und dazu ein Stück aus dem Repertoire. Wenn die Etüde nach einer Woche Arbeit gut genug läuft, kann man sich auf die nächste konzentrieren. Wenn nicht, übt man sie weiter. Kammermusik läuft z.B. auch sehr regelmäßig. Wir haben ein Stück bekommen und sollen uns davon zwei unterschiedliche Interpretationen anhören, die wir dann sehr detailliert analysieren. Dann treffen wir uns in einer Video-Konferenz und jede*r gibt seinen*ihren Kommentar dazu ab. Außerdem üben alle ihre Stimme für sich selber.

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Kammermusikunterricht zu Hause | Foto: Lucía Molina Álvarez

Gibt es für euch im Kreativsemester mit Online-Lehre eher Vorteile oder Nachteile?

Milena: Ich würde sagen 50-50. Einerseits hat man mehr Ruhe, sich mit technischen Sachen zu beschäftigen sowie mit Literatur, für die es im Semester oft wenig oder gar keine Zeit gibt. Anderseits gibt es Dinge im Studium, die online kaum machbar sind, z.B. Orchester- oder Kammermusikprojekte. Ich glaube, dass unter diesen Umständen besonders Musikstudierende leiden, die ein Instrument spielen, das eher im Orchester Anwendung findet als als Soloinstrument. Sehr gerne spiele ich in Gruppen, weswegen ich meine Zeit sehr gut planen muss, um inspiriert und fleißig zu bleiben, weil die Struktur des Alltags sich jetzt nicht mehr so sehr von alleine ergibt. Etwas durchziehen ist jedenfalls leichter mit ganz konkreten Zielen.

Lucía: Für mich sind es eher Nachteile. Ich vermisse die Akustik in den Räumen der Hochschule. Mein Zimmer ist akustisch nicht so passend für‘s Üben. Langfristig glaube ich, dass die Räumlichkeiten das Spielen beeinflussen können. Besonders habe ich mich auf Mahlers erste Symphonie gefreut, die wir in diesem Semester spielen sollten. Das fällt jetzt natürlich aus und ich vermisse den menschlichen Kontakt im Orchester und in der Kammermusik. Theoretische Veranstaltungen sind aber dafür nicht schwerer als normalerweise, weil alles gut organisiert und erklärt ist.

Wie schafft ihr es, organisiert zu bleiben und zu arbeiten?

Milena: Ich stelle meinen Wecker jeden Tag zur ungefähr gleichen Uhrzeit, auch am Wochenende. Dazu habe ich ein Bullet Journal, das gerade viel Platz hat, um zu malen. Inspirationen dafür bekomme ich manchmal auch in den digitalen Medien. Dieser kreative Umgang hilft mir, Schwierigkeiten bei der (Selbst-)Organisation zu überwinden. Ein Übetagebuch habe ich auch. So kann ich sehr leicht den Prozess verfolgen, wie und was ich geübt habe, was sich verbessert oder nicht verbessert hat. Manchmal habe ich dasselbe Problem wochenlang, dafür sehe ich aber auch, dass ich weitergekommen bin. Wenn das Wetter schön ist, nutze ich jede Chance, um spazieren zu gehen und die Natur zu genießen. So kann ich klar die Grenze setzen zwischen dem Produktiven und Entspannenden.

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Bullet Journal: Milenas Methode der Selbstorganisation im Kreativsemester | Foto: Milena Geraedts

Lucía: Ich bin ziemlich gut organisiert. Jeden Tag stehe ich auch zur ungefähr gleichen Zeit auf. Dann bereite ich mich so vor, als ob ich raus gehen müsste, gehe aber in das Wohnzimmer. Wenn es Hausaufgaben oder theoretische Veranstaltungen gibt, mache ich diese zuerst, anschließend übe ich. Also, erstmal Prioritäten, dann Entspannen. Ich lese gerne am Fenster in der Sonne, male und backe ab und zu. Ich befinde mich im Moment in Spanien und seit paar Tagen darf man hier wieder, nach mehr als einem Monat, einmal am Tag spazieren gehen und zwar nur zur bestimmten Zeit. Deswegen möchte man bis 20.00 Uhr alles schon gemacht haben, um mit freiem Kopf spazieren gehen zu können.

Mihajlo Milošev

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts