Folkwang

opera! SommerWerkStatt Musiktheater 2016

Interview mit Autor und Regisseur Carsten Süss

Am Donnerstag, 16. Juni, heißt es ab 19.30 Uhr am Campus Essen-Werden wieder: opera!. Mit der Uraufführung des Stückes NICHT IN DIESEM TON! – Eine heullose Operettentherapie bringen die Studierenden des Studiengangs Gesang|Musiktheater ein „Operetten-Potpourri“ auf die Bühne des Pina Bausch Theaters. Das Werk stammt aus der Feder von Autor, Regisseur und Tenor Carsten Süss (a. G.). Ausgangspunkt des Stückes ist eine 17-köpfige Therapiegruppe, die sich durch Operetten heilt. Für Carsten Süss ist es die erste Inszenierung an Folkwang. Im Interview spricht er über die Idee des Stücks, das Phänomen Operette und die Arbeit mit den Studierenden der Folkwang Universität der Künste.

03_Plakat_Opera__2016_WEB.jpg

 

Eigentlich sind Sie Tenor, richtig? Wie kommt der Wechsel in das schreibende und inszenierende Fach?
„Und das bin ich auch immer noch. Zur Zeit singe ich in Wien, Düsseldorf und Tokio. Ich empfinde meine Arbeit als Autor und Regisseur deshalb auch als Ergänzung zu meiner Arbeit als Sänger. Es gibt mir die Möglichkeit, meine Erfahrungen und Vorstellungen von Musiktheater direkt weiter zu geben. Zudem ist das ja eine Entwicklung der letzten zehn Jahre und nicht von heute auf morgen gekommen. Angefangen habe ich damit, für andere Regisseure Dialogversionen für ihre Inszenierungen zu schreiben, in Wiesbaden, Meiningen, Chemnitz und vielen anderen Theatern. Erst vor drei Jahren, als meine erste komplette Revue in Wiesbaden gespielt wurde, kam ich auf die Idee, selber zu inszenieren. Mönchengladbach gab mir die Chance und es hat mir gleich so einen Spaß gemacht, daß ich gar nicht mehr davon lassen kann. Im Übrigen ist so der Beruf des Regisseurs entstanden: William Shakespeare wollte sich nur das Spiel zweier Kollegen von unten ansehen. Er kehrte nie mehr zurück auf die Bühne."

Eine heullose Operettentherapie: worum geht es in dem Stück?
„Tränen sind ja in der Operette ein seltenes Phänomen. Die Figuren ertragen ihr Schicksal ja zu meist mit Anstand und Würde. Im Ernst, es handelt sich eher um ein Wortspiel mit dem Wort ,heillosü, also unheilbar. Ein Zustand, den ich aus eigener Erfahrung mit dem Genre Operette verbinde: irgendwann kann man nicht mehr ohne sie. Und das ist auch gut so: denn der Vorgänger des modernen Musicals kommt als harmloses Unterhaltungstheater daher. Ist aber in Wahrheit durch seine Anforderungen an die Sängerinnen und Sänger, im Gesang, der Sprache und dem Tanz, eine unterschätzte Disziplin."


 

Wie ist das „Operetten-Potpourri“ entstanden?
„Nun, die Grundidee des Stückes war schnell geboren: ein Gruppe von Menschen, die sich jede Woche trifft, um in einem beschützten Raum über die eigenen Probleme zu reden, ähnlich einer Gruppentherapie. Daher gibt es auch keine Namen: das können wir alle sein, irgendwo, irgendwann! Und diese Menschen, alle speziell in ihrer Lebenserfahrung, werden einfach in die, ebenfalls manchmal, zu geschlossene Welt des Musiktheaters transportiert. Die Auswahl der einzelnen Musiknummern hatte dann in erster Linie damit zu tun, den Studierenden einen groben Einblick in das Genre zu geben. Da gibt es natürlich noch viel mehr zu entdecken. Wozu ich Jeden nur anhalten kann. Aber die ,Goldeneü und ,Silberneü Operette zwischen 1880 und 1925 ist und bleibt Kernpunkt dieser Tradition."

Was ist aus Ihrer Sicht besonders oder anders daran, mit Studierenden zu inszenieren?
„Es gibt Dinge, die man nicht voraussetzen kann: viel Spielerfahrung oder über Jahre erlerntes Timing in den Dialogen. Aber gerade das macht es so spannend. Man muss sich als Autor und Regisseur immer wieder selber hinterfragen: wie individuell kann ich auf die einzelnen Menschen eingehen? Was sind Ihre Bedürfnisse? Wie nah kann ich meiner Vorstellung vom eigenen Stück kommen? Was will ich ihnen unbedingt mitgeben, damit sie einen Gewinn für ihren weiteren Berufsweg haben? Es wird spannend."

Was macht für Sie die Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste aus?
„Zuerst die Vorfreude auf all die jungen, begabten Sängerinnen und Sänger, die ganz am Beginn ihres Weges stehen. Über meine Kollegen an der Folkwang, und aus eigener Erfahrung als Zuseher, weiss ich um die hohen Ansprüche an die Studierenden und deren Qualität. Schon zu meiner Zeit als ganz junger Sänger genoss die Folkwang einen hervorragenden Ruf, der bis heute angehalten hat. Gerade die spezielle Betonung der interdisziplinären Arbeit ist doch das, was die Studierenden am Besten auf den Alltag am Theater oder all den anderen Kunst- und Kultureinrichtungen vorbereitet. Der ,Marktü ist inzwischen so groß und international, da kann man nicht mit Scheuklappen auf seine eigene Disziplin starren und den Rest ignorieren."

Wenn Sie den angehenden SängerInnen und DarstellerInnen ein Motto mit auf ihren (Berufs)Weg geben sollten, welches wäre das?
„Humor ist nur eine komische Art Ernst zu sein“.

Dürfen wir schon einmal einen Blick ins Stück werfen?
„Ein kleiner Auszug vorab:

II. Szene:
N: Interessant!
A: Wie bitte?
N: Liebe ist wie Krieg. Kluger Mann.
C: Also, ich finde eher, dass Liebe und Frieden ein und dasselbe sind.
A: Zu dir kommen wir später, Freundchen.
C: Aber ich wollte doch nur…
A: Vielleicht willst du uns das erklären?
N: Nein.
D: Bravo, endlich gibt der Alten mal einer Paroli.
P: Entschuldigung, wo ist…
A: Wir wollen jetzt doch mal sehen, was Ihr Beide für heute vorbereitet habt. Wir hatten ja in der letzten Woche über eure Probleme der Hemmungen im Intimen gesprochen…
Q: Gesprochen hat nur sie.
E: Wie immer.
A: ….und da hattet ihr ja eine Aufgabe bekommen. Hat das gut funktioniert?
M/N: Ja/Nein
B: Na Bravo, fängt schon gut an."

Termin

  • 16., 17. & 18. Juni um 19.30 Uhr | Pina Bausch Theater | Campus Essen-Werden
  • opera! SommerWerkStatt Musiktheater 2016
  • NICHT IN DIESEM TON! - Eine heullose Operettentherapie.
  • Konzept & Regie: Carsten Süss (a. G.)
  • Ausstattung: Rina Cervinscaia (a .G.)
  • Musikalische Leitung: Lothar Welzel
  • Studierende des Studiengangs Gesang|Musiktheater
  • Eintritt € 5.- | ermäßigt € 3.-


Carsten Süss
Der Tenor Carsten Süss ist seit vielen Jahren ein gefragter Gast an vielen deutschen wie internatio-nalen Bühnen. Dabei ist es ihm immer wichtig, die gesamte Breite seines Repertoires, vom Lied bist zur Operette, auszuschöpfen.
Im Jahr 2014 gab Carsten Süss sein viel beachtetes und bejubeltes Debüt als Tassilo in der Neuproduktion der „Gräfin Mariza“ an der Wiener Volksoper. Im April diesen Jahres wird Carsten Süss dort sein Debüt als Don José geben. In der laufenden Spielzeit gab er sein Debüt an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg. 2013 bereits gab der Tenor sein Debüt als Max, gefolgt von seinem Debüt als Rienzi. Mit dieser Partie gelang ihm durch den Erfolg an der Opera di Roma, der Sprung auf die internationale Bühne im jugendlich-heldischen Fach, nachdem er bereits in den Jahren 2011 und 2012 als Florestan, Bacchus und Erik debütiert hatte.

Ab der Spielzeit 2015/16 ist Carsten Süss Ensemblemitglied an der Volksoper Wien.
 
Von 1996-2001 war Carsten Süss Ensemblemitglied an der Sächsischen Staatsoper Dresden. Seit 2001 freischaffend, gastierte der Sänger an vielen deutschen und internationalen Opernhäuser, u.a. in Frankfurt, Stuttgart, Köln, Leipzig, Karlsruhe, Nürnberg, Wiesbaden, Strasbourg, Cagliari, Hongkong, Tokio und Shanghai.
In dieser Zeit wandelte sich sein Repertoire von Jaquino, Tamino, Ferrando, Ottavio und hin zu Edgardo, Ernesto, Nemorino, Lensky, gefolgt von Partien wie Froh, Loge, David und Leukippos.
Seine Konzertengagements führten ihn u.a. nach Tel Aviv, Jerusalem, Madrid, Vilnius, Prag, Buda-pest, Wien, Luxemburg, Cincinatti.
Er arbeitete mit Regisseuren wie Dietrich Hilsdorf, Aron Stiehl, Arila Siegert, Ansgar Weigner, He-len Malkowsky, Bruno Klimek, Peter Konwitschny, Willy Decker,  Hugo de Ana, Matthias Oldag, Stein Winge, Keith Warner, David McVicar, Martin Duncan, Bernd Mottl u.v.m.
Carsten Süss sang u.a. unter Guiseppe Sinopoli, Sir Colin Davis, Bruno Weil, Markus Stenz, Semyon Bychkov, Helmuth Rilling, Enoch zu Guttenberg, Paolo Carignani, Lothar Zagrosek, Christian Arming, Henryk Schäfer, Justin Brown, Christoph Prick, Roland Böer und Mikael Kütson.
Seit 2004 war der Tenor bei den Bregenzer Festspielen, den Seefestspielen Mörbisch, dem Rhein-gauMusikFestival, dem HongkongArtsFestival, sowie dem Cantiere d`Arte Montepulciano eingela-den. Als Liedsänger konnte Carsten Süss, gemeinsam mit Wolfram Rieger, bei den Schubertiaden in Hohenems und Schwarzenberg sowie der Schubertiade Barcelona reüssieren. Seit 2009 gab Cars-ten Süss Kurse in Liedinterpretation an den Musikhochschulen Dresden, Karlsruhe und Vilnius, und war  als Gesangscoach 2013 Dozent der Studienstiftung des Deutschen Volkes.

Neben seiner Gesangskarriere ist Carsten Süss seit einigen Jahren als Autor und Regisseur tätig. Zunächst erarbeitete er mehrere Dialogversionen verschiedener Operetten, u.a. für die Theater Bremerhaven, Krefeld/ Mönchengladbach, Gera, Luzern, Chemnitz, die Staatsoperette Dresden und  das Staatstheater Wiesbaden. Hier fand auch 2014 die Premiere seiner ersten eigenen Revue „Unter der roten Laterne“ im Schauspiel statt. 2015 schrieb Carsten Süss im Auftrag des Theaters Krefeld/ Mönchengladbach die Revue „Wär`nur die Sehnsucht nicht so groß“, die er mit großem Erfolg selber inszenierte. 2016 wird er seine neueste Arbeit an der Folkwang Universität der Künste in Essen präsentieren.

 

Bömke-Ziganki / 14. Juni 2016