Folkwang

Mental Health in Zeiten von Corona (und darüber hinaus)

Neue Lebens- und Perspektivberatung im künstlerischen Kontext an Folkwang

(Inhaltshinweis: psychische Krankheit)

Seit rund einem Jahr leben wir nun schon mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Sie sorgt für extreme Einschnitte in unser Privat- aber auch in das Hochschulleben. Momentan befinden wir uns in einer kollektiven Isolation.

Vielleicht sind wir einsam und uns fehlt ein Grund, morgens aus dem Bett aufzustehen. Vielleicht sind wir aufgrund der scheinbar aussichtslosen Situation traurig und antriebslos. Vielleicht leben wir aber auch bereits unter verschärften psychischen, sozialen oder finanziellen Bedingungen, die durch die Auswirkungen der Pandemie verstärkt werden können.

 

Wie geht es den Folkwang Studis in dieser Lage? Und welche Beratungsmöglichkeiten bietet die Hochschule, wenn Hilfe benötigt wird? Folkwang StudiScout Kara hat sich auf die Suche nach Antworten gemacht.

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"wir" von Kara Bukowski, 2020

 

Im Laufe der Recherche spricht sie mit Folkwang Studierenden sowie Mitarbeiter*innen und erfährt mehr über die psychologische Beratung beim Studierendenwerk sowie eine neue Anlaufstelle an Folkwang, die speziell auf die psychischen Bedürfnisse von Kunstschaffenden zugeschnitten ist. 

 

Wie geht es den Folkwang Studis?

 

,,Ich habe mich so lange in meiner Bude eingeschlossen, bis ich eine Panikattacke bekommen habe. Das ist mir vorher noch nie passiert‘‘, berichtet mir eine Person (1. Semester, Kommunikationsdesign, FB4). Wie viele andere Erstsemestler*innen, kannte sie niemanden in Essen, als sie für ihr Studium herzog. Online auf zunächst fremde Kommiliton*innen zuzugehen, fiel ihr schwer. Andere Studierende zogen erst gar nicht – wie ursprünglich geplant – nach Essen und blieben stattdessen bei ihren Familien wohnen. ,,Wir sollten gerade eigentlich unsere besten Jahre leben, aber stattdessen sitzen wir zuhause und die Abende sehen alle gleich aus‘‘, so eine weitere Person (3. Semester, Fotografie, FB4). Und jemand anderes erzählt mir: ,,Es macht mich traurig, dass menschliche und künstlerische Begegnungen kaum real stattfinden können. Ich hoffe, dass wir uns daran erinnern, wie wichtig diese sind.‘‘ (2. Semester, Musikpädagogik, FB2).

 

Aus meinen kurzen, aber einprägsamen Gesprächen mit Kommiliton*innen aus verschiedenen Fachbereichen geht hervor: Die Pandemie trifft uns alle.

 

Leben unter verschärften Bedingungen während Corona 

 

Allerdings gibt es Unterschiede darin, in welchem Ausmaß sie uns trifft. Dem gehe ich in einem Gespräch mit Kristina Rauschan, Beauftragte für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung an Folkwang, mehr auf den Grund. Aus unserem Telefongespräch zeichnet sich ab, dass sich die Situation für Menschen mit psychischen, sozialen und finanziellen Beeinträchtigungen bzw. Vorbelastungen durch Corona verschärft und teilweise prekär werden kann.¹

Da es noch keine aktuellen Zahlen zu der Corona-Lage gibt, erzählt Kristina Rauschan von einer Studie aus dem Jahr 2016, aus der hervorgeht, dass rund 10% aller Studierenden in Deutschland mit einer Beeinträchtigung leben.² 53% davon geben an, dass diese eine chronische psychische Krankheit ist. Somit sind rund 150.000 Studis in Deutschland wissentlich betroffen. Die andauernde Krisensituation während der Corona-Pandemie und die mit ihr verbundene Isolation können bei machen Betroffenen zu einer Verschärfung des Krankheitsbildes führen, so Kristina Rauschan. In unserer Gesellschaft gingen psychische Krankheiten immer noch mit Stigmatisierung einher. Dies erschwere die Situation zusätzlich, da kaum bis wenig über das Thema gesprochen werde, erklärt sie weiter. ,,Wenn ich Studierenden im echten Leben begegne, ist es einfacher, ihre Mimik und Körperhaltung zu deuten. Online läuft man sich auch nicht mal eben über den Weg und kann nachhaken, wie es der anderen Person geht. Zudem ist vielleicht auch die Hemmschwelle größer, nach Hilfe zu fragen‘‘, erzählt Kristina Rauschan. 

 

Wenn ihr Hilfe benötigt und mit jemandem sprechen möchtet, ist die Telefonseelsorge (0800 – 1110111) zu jeder Tages- und Nachtzeit anonym und kostenlos zu erreichen. Mehr Infos hier: www.telefonseelsorge.de

 

Die Psyche und die Kunst

 

Und wie wirkt sich die Krise speziell auf Künstler*innen an Folkwang aus? Um diese Frage beantworten zu können, habe ich mit den Gründerinnen der Initiative zur Psychologie des künstlerischen Schaffens an Folkwang gesprochen: die ehemalige Folkwang Professorin Nadia Kevan und die Privatdozentin Dr. Daniela Schwarz. Seit mehreren Jahren setzen sich die beiden im Rahmen der Initiative mit dem Thema auseinander. ,,Kunstschaffende können psychologische Kompetenzen lernen, die sie an sich selbst anwenden können. In vielen Fällen sind sie auf diese sogar angewiesen‘‘, sagt Nadia Kevan. Diese Kompetenzen umfassen beispielsweise Ansätze zum Auflösen des Konkurrenzdenkens oder das Auseinandersetzen mit der eigenen Identität, erläutert Daniela Schwarz. Auch scheint der Werdungsprozess zum*zur Künstler*in eng mit der Persönlichkeitsentwicklung verbunden zu sein, daher setzt man sich als solche*r vielleicht intensiver mit der eigenen Persönlichkeit auseinander, als das vielleicht sonst der Fall wäre. 

 

Wie wirkt sich diese Krise also auf unser Dasein als Künstler*innen aus? Gerade in Anbetracht der Debatte um Systemrelevanz hinterfragen viele ihre Legitimität. Zudem haben die extremen sozialen Einschränkungen und das konstante Zuhausesein großen Einfluss auf die individuelle Kreativität. Viele Kommiliton*innen berichten mir davon, dass sie sich uninspiriertühlen und antriebslos sind. Neben Zweifel und Zukunftsfragen, die wir uns als Kunstschaffende ohnehin regelmäßig stellen, gesellen sich bei vielen nun auch existentielle Nöte, die psychisch eine enorme zusätzliche Belastung darstellen. Diese scheinbar aussichtslose Situation beschreibt Nadia Kevan einerseits als eine ,,Kulturkatastrophe‘‘, die wir durchleben. Andererseits bringe jede Krise eine Chance mit sich, sodass man, mit Hilfe der richtigen Ressourcen, auch dieser auch wachsen könne, ergänzt sie. 

 

In Zeiten von Corona nur unter besonderen Bedingungen  möglich: "Umarmung" von Kara Bukowski, 2020

 

‘Lebens- und Perspektivberatung im künstlerischen Kontext’ an der Folkwang Universität der Künste

 

Seit dem Sommersemester 2021 gibt es eine neue Anlaufstelle, die Lebens- und Perspektivberatung im künstlerischen Kontext. Das Pilotprojekt ist zunächst für das Jahr 2021 geplant; ihm kommt aufgrund der schwierigen Situation, die die Kultur wie erwähnt stark einschränkt, besondere Bedeutung zu. Die Ansprechperson Ralph Siegmund hat bereits langjährige Erfahrung in der Beratung von Auszubildende und Studierenden sammeln können. Zudem bringt er einen Hintergrund eigener künstlerischer Erfahrungen und Tätigkeiten im Bereich der Malerei und Literatur mit. In der Beratungsstunde kann es um Themen wie Schaffenskrisen und -blockaden oder andere Herausforderungen gehen, mit denen das Kunstschaffen verbunden ist. Alle Folkwang Studierenden können die neue Anlaufstelle nutzen, eine psychologische Betreuung hingegen umfasst dieses Angebot nicht. Die Inhalte der Gespräche sind vertraulich und unterliegen der Schweigepflicht. 

 

Die Beratung findet während der Vorlesungszeit freitags von 12.00-14.30 Uhr zunächst als Telefonsprechstunde (0201-4903-593) mit Ralph Siegmund statt; Termine können für die jeweilige Folgewoche freitags telefonisch in der Zeit von 14.30-15.00 Uhr (0201-4903-593) vereinbart werden.

 

Psychologische Beratung des Studierendenwerkes

 

Wenn Studierende, auch unabhängig von Identitätsfragen, akute psychologische Hilfe benötigen, können sie sich an das Studierendenwerk wenden. Dort beraten die Fachpersonen bei allen Anliegen und unterstützen vor allem auch bei der häufig nervenaufreibenden Suche nach einem Therapieplatz, wenn dies gewünscht ist. Die Inhalte der Gespräche sind vertraulich und unterliegen der Schweigepflicht.

 

Die offene Telefonsprechstunde des Studierendenwerkes ist donnerstags um 10.00 – 13.00 Uhr unter den Nummern 0201-82010 / 610 - /611 - /613 zu erreichen. Weitere Termine können online oder telefonisch vereinbart werden. Alle Infos gibt es hier: www.stw-edu.de/beratung/psychologische-beratung/ 

 

Weitere Beratungsmöglichkeiten 

 

Eine Übersicht über alle Beratungsangebote der Folkwang ist hier zu finden.

Darüber hinaus können sich Folkwang Studierende zum Thema Antidiskriminierung und Gleichstellung sowie zur Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Leben an die zentrale Gleichstellungsbeauftragte wenden. In den Fachbereichen engagieren sich dezentrale Gleichstellungsbeauftragte, die Studierende auch zum Thema Gleichstellung beraten. Neben diesen zentralen Themen an der Hochschule, leitet die zentrale Gleichstellungsbeauftragte Studierende bei anderen Sorgen gerne an die verantwortlichen Stellen weiter: 

www.folkwang-uni.de/home/hochschule/antidiskriminierung-gleichstellung/gleichstellung/zentrale-gleichstellungsbeauftragte-gleichstellungsbuero/ 

 

 

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

¹www.stw-edu.de/detailansicht-news/studierende-sehr-belastet/ 

 

²Mehr über die best2 Studie von 2016:

www.studentenwerke.de/de/content/beeintr%C3%A4chtigt-studieren-%E2%80%93-best2 

 

 

 

 

Kara Bukowski / 03. Mai 2021