Folkwang

Leonie Reineke - Folkwang Preisträgerin 2017

Sparte Musikwissenschaft

Am Sonntag, 02. Juli 2017, werden die diesjährigen Folkwang Preise verliehen. StudiScout Lisa Koenig hat sich mit Leonie Reineke unterhalten, die mit dem Folkwang Preis in der Sparte Musik ausgezeichnet wird.

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Leonie, Du bist Folkwangpreisträgerin 2017! Wie fühlt sich das an?

So ein wirkliches Gefühl kann ich da eigentlich gar nicht beschreiben. Für mich ist das einfach ein schöner, runder Abschluss meines Studiums und eine Bestätigung dafür, dass ich eine solide Arbeit abgegeben habe. Es geht ja gar nicht darum, dass ich jetzt in meinen Lebenslauf schreiben kann: „Folkwangpreis 2017“. Vielmehr freut es mich, dass ich ein paar Leute, die Jury, dazu gebracht habe, meine Arbeit noch einmal zu lesen und mir damit das Gefühl zu geben, dass sie auch einen Mehrwert hat. Das war eigentlich das schönste Gefühl für mich! Ein Jurymitglied wollte sie sogar gerne behalten.

Welche Bedeutung hat der Preis für dich?

Naja, ein Preis ist ja etwas sehr Punktuelles, sozusagen eine Anerkennung für einen Moment. Das ist sicher eine schöne Selbstvergewisserung, aber bestimmt nicht so nachhaltig wie eine feste Arbeit. Um wirklich glücklich zu sein, braucht der Mensch, das ist zumindest meine Überzeugung, eine Berufung, mit der er dauerhaft zufrieden ist.

Den Preis hast du ja für deine Masterarbeit mit dem Titel…

Also der Titel lautet: „Transdisziplinäre Analyse von Pop. Versuch einer praktischen Anwendung auf den Song ‚Mutual Call‘ von Björk.“

…bekommen. Worum geht es dabei?

Das ist eine musikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Musikanalyse“ auf der einen Seite und dem Thema „Popmusik“ auf der anderen Seite. Die Frage, die ich mir dabei gestellt habe, ist: Wie kann Musikanalyse im Hinblick auf Popmusik aussehen? Das ist im wissenschaftlichen Diskurs oft gar nicht so eindeutig.

Und warum Björk?

Ich bin zwar ein Fan von Björk - letztes Jahr habe ich sie sogar ganz zufällig auf Island getroffen -  aber das war nicht unbedingt der Grund für meine Auswahl. Ich finde ihre Musik einfach so interessant, dass ich sie gerne auf einer analytischen Basis betrachten wollte. Es hat mir Spaß gemacht herauszufinden, was diese Musik ausmacht, weshalb sie so funktioniert, wie sie funktioniert und weshalb man sie so versteht und liest, wie man sie eben liest. Darüber wollte ich mir ein fundiertes Urteil bilden. Die Herausforderung bei meiner Arbeit war natürlich zu erörtern, ob  eine Musik, die mit anderen Mitteln hergestellt und produziert wurde als eine klassische Sinfonie, sich überhaupt aus musikwissenschaftlicher Perspektive analysieren lässt.

Wie bist du an das Thema herangegangen und zu welchem Schluss bist du gekommen?

Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Analyse einer solchen Musik möglich ist, allerdings ist sie mit sehr vielen Schwierigkeiten verbunden. Fast die Hälfte meiner Arbeit beschäftigt sich ja erst einmal mit Fragestellungen wie „Was ist Analyse?“, „Wie wurde ein bestimmtes Repertoire in der Kunstmusik bisher analysiert?“ und „Kann man diese Methode auf Pop-Musik übertragen?“ Dann sieht man, dass das natürlich so einfach nicht funktioniert. Man muss Vieles neu verhandeln, Begriffsproblematiken lösen und Diskussionen einführen, kurz: sich ein Werkzeug schaffen, mit dem man arbeiten kann, um dieser Musik gerecht zu werden und nachher eine gültige Aussage treffen zu können. Dabei darf man auf keinen Fall einen Tunnelblick haben und muss auch Deutungen zulassen, die man erst einmal vielleicht nicht vermutet hatte. Schließlich sind solche Auslegungen immer subjektiv.

Was inspiriert dich an der Musikwissenschaft?

Also das, was ich momentan beruflich mache, geht ja eher in eine musikjournalistische Richtung. Dabei hat mir die Musikwissenschaft natürlich schon sehr geholfen, denn in solch einem Studium lernt man eben wissenschaftlich sehr genau zu arbeiten, alles zu hinterfragen, immer mehrere Quellen hinzuziehen und Musik strukturell zu hören. Ich liebe die Arbeit mit Sprache und ich liebe das Hören von Musik. Die Musikwissenschaft verbindet das natürlich beides. Und das tut der Musikjournalismus ja auch, aber eben auf eine andere Art, denn dort setzt man diese ganzen analytischen Gedanken kreativ um. Und beides zusammen finde ich sehr inspirierend.

Was sind deine zukünftigen Arbeitsziele?

Ich arbeite bereits seit vier Jahren als Rundfunkautorin und mache hauptsächlich Musiksendungen im Radio. Außerdem schreibe ich auch für Zeitschriften. Das liebe ich und das möchte ich auch weiterhin machen!

Während deines Studiums gab es bestimmt auch Höhen und Tiefen. Gab es Momente, in denen du an dir gezweifelt hast? Wie bist du mit diesen Momenten umgegangen?

Sehr produktiv! In einem Tief ist das natürlich schwierig. Wenn man eine Krise hat, kann man nicht unbedingt erkennen, dass einem das auch was bringt und man kämpft mit sich. Gerade an einer Musikhochschule sind solche Persönlichkeitskrisen sehr intensiv, weil man sich schließlich mit Fragen beschäftigen muss wie: „Auf welchen Ebenen kann und will ich mit Kritik arbeiten?“ Durch die vielen Eins-zu-Eins-Situationen kann das schon sehr heftig sein. Man muss viel mehr über sich selbst reflektieren, als wenn man in einem riesigen Hörsaal an der Uni sitzt. Dadurch habe ich sehr gut gelernt, offen mit Kritik umzugehen und diese konstruktiv umzusetzen, auch wenn sie manchmal destruktiv ist. Sehr spannend finde ich, wie viel man durch die Situation „Einzelunterricht“ über andere Persönlichkeiten erfährt.
Höhen sind gut, aber Tiefen eben auch. Wie gut solche Tiefen sind, weiß man leider immer erst später.

Anlässlich des 90-jährigen Bestehens der Folkwang Universität der Künste läuft ja momentan die Kampagne „Folkwang ist…“. Was ist Folkwang für dich?

Oh je! Kann ich die Aussage verweigern? (lacht) Das ist eine wirklich schwierige Frage. Das kann ich gar nicht in einem Satz beschreiben, denn Folkwang ist für mich so viel, weil ich so viele Jahre hier verbracht habe. Deswegen möchte ich jetzt auch auf keinen Fall irgendetwas daher sagen. Ich denke, ich könnte sagen, Folkwang ist für mich Herausforderungen anzunehmen, vor denen man normalerweise seinem Fluchtinstinkt folgend weglaufen würde und… dabei belasse ich es!

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Koenig / 16. Juni 2017