Folkwang

Hier ist doch was faul!

Man hat ja schon oft davon gehört: Angeblich soll sich während der vorlesungsfreien Zeit eine seltsames Leiden unter den Studierenden ausbreiten. Der Krankheitsverlauf ließe sich ungefähr so schildern: Kaum sind die Prüfungen geschrieben, die Professoren in aller Welt und die Sonne im Zenit, da macht sich plötzlich eine maximale Untätigkeit breit. Man krankt an Schlaffheitserscheinungen in Körper und Geist, sowie an innerer Erschöpfung. Weitere Symptome sind Dumpfheitsgefühle zwischen Herz und Nieren, erschreckend niedriger Puls, vermehrt aufkommende Seufzer.

Juno und Hercules c Lisa Schmidt Herzog

Juno und Hercules c Lisa Schmidt Herzog

 

In meiner unnachahmlichen Umtriebigkeit erlag ich natürlich dem Irrtum, vor dieser Krankheit gefeit zu sein: Mir kann das nicht passieren! Jedem, der mir über den Weg lief war ich verführt ins Ohr zu posaunen, was ich alles tun werde, wenn erst einmal die Ferien ins Haus stehen: Schopenhauer lesen! Nach Rom reisen und Architekturgeschichte auffrischen! Ein Buch schreiben (oder eine Operette)! Griechische Mythologie verstehen! Einen Halbmarathon laufen!

Keine Pläne schienen mir zu groß, im Gegenteil, wenn doch nur endlich der von Referaten, Sitzungsvorbereitungen, Abgaben und Exkursionen vollgestopfte Alltag vorbei ist, dann, ja dann werde ich zu Höchstformen auflaufen! Und allen Gesundheitsvorsorge-Fanatikern sei entgegnet: auch das habe ich getan! Penibel habe ich alle Gesellschaften mit schleppender Grundstimmung gemieden, meinen Netflix-Account gekündigt und den Wecker an keinem Tag abgeschaltet. Ausschlafen können Sie schließlich, wenn Sie tot sind! Aber aber, alles war vergebens: Seit Tagen sieche ich in einer Art süßlichem Dämmerzustand dahin, finde mich mit meiner diffusen Watte im Kopf schon besonders aktiv, wenn ich es zum Eismann um die Ecke schaffe. Die bestellten Bücher warten noch immer in der Buchhandlung darauf, von mir abgeholt zu werden, wenn ich nur an Rom denke, wird mir schwindelig und meinen E-mail Account pflege ich schon lange nicht mehr. Ja, verehrte LeserInnen, ich muss es in aller Klarheit sagen, sie hat auch mich ergriffen: Die Erschöpfung, die Faulheit, die Sommerkrankheit der Studierenden.

»Geh’ doch mal zum Arzt!«, sagen meine smarten Start-Up-Freunde, die ihre drei Firmen in fünf Städten von Bali aus der Hängematte koordinieren. »So kann das ja nicht weitergehen!« Ein gutgemeinter Rat, der mir zwar in meiner Wollensferne schon wie eine überambitionierte Anstrengung vorkommt, den ich aber letzlich doch beherzigt habe, als mir das letzte Feinrippunterhemd ausgegangen ist. Heute morgen kam schließlich die Diagnose: Sie leiden nicht an Erschöpfung, Frau Leinung. Sie leiden an Übermut!

Hach, was eine Erleichterung! Dann ist doch alles wie es sein soll! Mit dieser guten Nachricht unterm Arm nehme ich glatt wieder tänzelnde Haltung an und werde fantastisch fröhlichen Schrittes direkt an den Schreibtisch hopsen, um Ihnen diese Zeilen zu schreiben. Welcome back!

 

Foto: Lisa Schmidt-Herzog

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Mona Leinung / 06. Oktober 2017