Folkwang

Folkwang… und dann? Vom Regiestudium zum Olivenhain

Regie Absolvent Karl Philipp Fromberger erzählt von seinem Weg

StudiScout Amelie hat für euch ein Interview mit Karl Philipp Fromberger geführt, der
nach seinem Zivildienst erstmal nach Italien gewandert ist. Dort hat er unter anderem Straßentheater gespielt und auch Monate auf der Straße gelebt. Nach etwa einem Jahr kehrte er wieder nach Deutschland zurück, entschlossen, mehr über das Theater zu lernen. In der Aufnahmeprüfung im Jahr 2006 hat es dann geklappt und er wurde im Studiengang Regie an Folkwang angenommen. Gemeinsam mit seiner Kommilitonin Ruth Schulz bildete er einen Regie-Jahrgang.
Im Jahr 2010 schloss er mit „Medea nach Euripides“ ab. Diese Arbeit wurde zum berühmten Körber Studio Junge Regie nach Hamburg eingeladen. Kurz darauf, im September 2010, begann er mit seiner Frau Anja nach Suvereto an die toskanische Küste überzusiedeln, um dort Ölbauer zu werden.

Foto: Karl Philipp Fromberger

Foto: Karl Philipp Fromberger

 

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Um alles zu lesen, was Karl Philipp über Folkwang, seine Erfahrungen, seinen jetzigen Job und das Theater zu erzählen hat, könnt ihr euch das PDF am Ende der Seite anschauen.

Amelie: Du hast damals Regie an Folkwang studiert. Wie kommt es, dass du jetzt einen Olivenhain besitzt?
Karl Philipp: Auf den ersten Blick wirkt das wohl wenig folgerichtig. Tatsächlich ist dieser Lebensentwurf aber keine Entscheidung gegen das Theater, vielmehr handelt es sich um eine Entscheidung für einen weiteren Teil in meinem Leben. Ich bin auf dem Land, umgegeben von Landwirtschaft, aufgewachsen und wollte nie dauerhaft ein rein städtisches Leben führen. Hinzu kommt, dass ich mit dem Versuch Kunst zu machen nie Geld verdienen (müssen) wollte. Meine Frau Anja hatte übrigens schon viel länger als ich eine große Affinität zu Italien und als sich uns die Möglichkeit in der Toskana einen landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen bot, haben wir unsere Planung trotz des nicht unerheblichen finanziellen Risikos danach ausgerichtet.
In jüngster Zeit geht’s dem kleinen Betrieb ganz gut, aber es war schon ein Sprung ins kalte Wasser. Dass wir Ölbauern in der Toskana werden würden, war übrigens schon ausgemacht, bevor ich mein Studium an Folkwang überhaupt angetreten habe. Dass wir jetzt das große Glück haben, eine der wunderbarsten Pflanzen überhaupt zu kultivieren und dass wir an einem wunderschönen Flecken leben, ist also nie als Absage an das Theater angelegt gewesen. Und irgendwann, wenn der Betrieb ausreichend Strukturen und eine entsprechende Größe erreicht haben wird, die es ermöglichen werden Dinge systematisch zu delegieren, dann werde ich unter anderem auch wieder Theater machen. Ich bin aber sehr sicher, dass mein Hauptberuf, wenn ich denn bei guter Gesundheit bleibe, immer Landwirt sein wird.

Amelie: Welche Erfahrungen, Werte oder vielleicht sogar welches Fachwissen aus deinem Studium passen sehr gut mit deinem jetzigen Beruf zusammen?

Karl Philipp: Zu den vielen praktischen Fertigkeiten, die nötig sind, um einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, kommen auch viele Herausforderungen, die eine Menge Planung und Abstraktion erfordern. Und da ist es natürlich hilfreich, dass ich einen Abschnitt meines Lebens im Austausch mit vielen sehr klugen Leuten verbringen konnte, die in den verschiedensten Richtungen tätig waren. Die Unberechenbarkeit der Launen der Natur, denen man versucht mit Insistenz, Geduld und guter Vorbereitung zu begegnen, hat doch viel mit der Bändigung von SchauspielerInnen gemein.


Amelie: Was waren die größten Herausforderungen in deinem Studium? Und was vermisst du?
Karl Philipp: Grundsätzlich empfinde ich in der Rückschau meine Zeit an Folkwang als eine sehr positive Erfahrung. Eine Erfahrung, die mich natürlich verändert hat und die mich langfristig prägt. Aber es hat schon seinen Sinn, dass ein Studium von begrenzter Dauer ist. So sehr ich den Austausch mit KommilitonInnen und Lehrenden genossen habe, glaube ich doch, dass der subalterne Status, dieses für die Weiterentwicklung der Studierenden so wichtige Schutzraums, den der Studierendenstatus darstellt, nach einer gewissen Zeit den Höhepunkt seines Wirkungsgrades einfach überschreitet.
Ich vermisse nichts in dem Sinne, dass ich ernsthaft versuchen würde manche Umstände oder Gegebenheiten des Studierendenlebens wiederherzustellen. Aber natürlich gibt es den etwas nostalgischen Blick zurück auf die gute Zeit. Eines der schwierigsten Dinge für mich, war, mich tatsächlich genug auf das Jetzt dieses sehr privilegierten Studiums zu konzentrieren und nicht zu sehr darüber hinaus zu denken und also nicht genug mitzunehmen. Ich hatte übrigens entsprechend immer große Freude daran, in der verfassten Studierendenschaft tätig zu sein und einen Beitrag zur akademischen Selbstverwaltung der Hochschule zu leisten. Diese Tätigkeiten reichten immer über meine unmittelbaren persönlichen Belange hinaus und ich empfand sie als eine große Bereicherung meiner Zeit an der Folkwang.

Amelie: Wie hast du den Begriff „Regie“ vor deinem Studium interpretiert und wie interpretierst du ihn heute?
Karl Philipp: Meine grundlegende Vorstellung von Regie hat sich im Laufe meines Studiums etwas gewandelt, was die Arbeitsweise betrifft.
So sehr ich immer noch an eine intensive Kooperation zwischen Spielenden und Regieführenden glaube, so sehr ich glaube, dass es die Beiträge beider Seiten gemeinsam sind, die dafür sorgen, dass manchmal etwas Besonderes entsteht (ein seltener Glücksfall), hat sich doch die Vorstellung von einer guten Arbeitsweise während meines Studiums etwas mehr hin zu einem bildnerischen und kompositorischen Zugriff entwickelt.
Bei allem offenen Austausch und bei allem offenen Gespräch, sind doch sehr viele Entscheidungen zu treffen. Ich bin überzeugt davon, dass viele dieser Entscheidungen nicht nach dem Prinzip der Urwahl getroffen werden können, sondern durch die zentrale Repräsentanz der künstlerischen Entscheidungsfindung, durch die Regie getroffen werden müssen. Eine Komposition, jedenfalls eine in der ich beizutragen vermag, ist in meinen Augen bis zu einem gewissen Grad prinzipiell undemokratisch. Natürlich bin ich nach wie vor felsenfest von einer emanzipierten Augenhöhe zwischen SpielerInnen und Regie überzeugt, in künstlerischer und menschlicher Hinsicht. Alles andere gehört in ein anderes Jahrhundert.
Theater zu machen ist immer (!) ein ungeheures Privileg. Und man macht dieses Theater für die ZuschauerInnen, die tatsächlich einen Teil ihres Lebens dafür hingeben. Das heißt, ich finde, man sollte seine ZuschauerInnen hochachten und sie gut behandeln. Die Selbsterfahrung der Macher  und Macherinnen sollte gegenüber dieser Hochachtung in aller Regel zweitrangig sein. Die Erfahrungswelten, die sich in gelungenen Theatermomenten eröffnen können, werden in ihrer Schönheit – hoffe ich – nie digitalisierbar werden.

Amelie: Wie nah bist du dem Theater jetzt?
Karl Philipp: Ganz praktisch bin ich dem Theater im Moment nicht sehr nahe. Ich komme fast nie dazu ins Theater zu gehen und Theater-Machen tue ich gar nicht. Aber gerade bei repetitiven Arbeiten auf dem Land träume ich viel und erschaffe allerhand Welten. Wenn es klappt, werde ich manche davon irgendwann realisieren.

Amelie: Wie würdest du diesen Satz vervollständigen: „Folkwang und dann....“?

Karl Philipp: Strohhut.

 

> Zum kompletten Interview

 

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Amelie von Godin / 27. Juli 2018