Folkwang

Folkwang geht ab

Fotografie-Abschluss in einer Pandemie – eine Erfahrung, die zusammenschweißt.

Das Leben geht auch während der Corona-Pandemie weiter. Dazu gehört auch ein Studium unter veränderten Bedingungen abzuschließen. In dieser Reihe begleiten die Folkwang StudiScouts unsere Studierenden bei ihren Abschlussprojekten und sprechen mit ihnen darüber, wie es ist abzugehen.

 

Im letzten Semester hat Julius Barghop seinen Fotografie-Bachelor erfolgreich absolviert. Ein Jahr ist vergangen von der Anmeldung bis zur Prüfung – dazwischen gab es viele Unsicherheiten. StudiScout Kara sprach mit ihm über den Zusammenhalt unter den Absolvierenden, Frustration und das Politische an seiner Arbeit.

Julius Barghop

Julius Barghop

 

Hallo Julius, du bist frisch gebackener Fotografie-Absolvent. Herzlichen Glückwunsch! Wie fühlst du dich?

Danke! Es ist total unwirklich, mit dem Studium fertig zu sein. Aber es ist auch erleichternd, nun einen Abschluss in der Tasche zu haben.

 

Du hast deinen Bachelor unter besonderen Bedingungen gemacht. Wie war die Zeit für dich?

Es war wirklich eine besondere Zeit, weil sie mit vielen Unsicherheiten verbunden war. Zu Beginn hat das meine Themenfindung beeinflusst, denn ich wollte für meine Abschlussarbeit ursprünglich im Ausland fotografieren. Im Nachhinein stelle ich jedoch fest, dass das Konzipieren und Fotografieren gar nicht so sehr eingeschränkt war. Anders waren vor allem die Prüfung und das Feiern danach. Letztendlich hat sich die Prüfung aber kaum von anderen unterschieden, die ich im Laufe meiner Studienzeit abgelegt habe. Das lag daran, dass so wenige Menschen zuschauen durften und auch danach kein Empfang an der Uni stattfinden konnte. Gefeiert werden konnte natürlich auch nicht. Das hat mich schon etwas traurig gemacht. Ein Studium während Corona zu beenden, ist meiner Meinung nach trotzdem nicht die schlechteste Position. Mitten im Studium zu sein oder gerade erst damit anzufangen stelle ich mir weitaus schwieriger vor. Ich und die anderen Absolvierenden wussten zwar nie so recht, wann die Uni wieder aufmacht oder wann wir arbeiten können. Aber zumindest konnten wir auf dem Wissen aufbauen, das wir in unserem Studium gesammelt haben. Wir hatten bereits die Skills, um eigenständig zu arbeiten. Das hat die Situation auf jeden Fall vereinfacht.

Das klingt herausfordernd. Wie war die Kommunikation mit den anderen Absolvierenden und den Lehrenden in der Zeit deiner Bachelor-Arbeit?

Die Gespräche mit den betreuenden Professorinnen fanden regelmäßig online oder, wenn es die Inzidenz erlaubt hat, in kleiner Gruppe in Präsenz statt. Das hat gut funktioniert. Auch der Austausch mit den anderen Absolvierenden war sehr wertvoll. Gemeinsam einen Abschluss in einer Pandemie zu machen – das schweißt zusammen. Wir haben uns gegenseitig Kraft gegeben und geholfen, wo es ging.

Erzähl uns mehr über deine Bachelorarbeit. Welches Thema hast du gewählt und in welcher Form hast du es präsentiert?

Meine Bachelorarbeit trägt den Titel ,,Just Man‘‘ und ist in Form eines Buches mit 130 Schwarz-Weiß-Fotografien auf 264 Seiten erschienen. Die Arbeit ist eine Annäherung an die neoliberale Stadt und eine Bewegung durch Büro- und Bankenviertel in Deutschland   . Ich habe mir die Frage gestellt, was nach außen hin in diesen Vierteln für das Individuum sichtbar und erfahrbar ist. Die großen Gebäude stehen repräsentativ für Macht und Einfluss, denn hinter ihren Türen werden Geschäfte abgeschlossen und Entscheidungen getroffen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Welt haben. Dazwischen schieben sich die Mauern der Gebäude, die den Blick für das Individuum versperren. Mich interessiert, was die Unternehmen gezielt nach außen zeigen. Wie ist diese Repräsentation architektonisch umgesetzt, welche Details kann ich entdecken? In dieser Projektion nach außen sind viele Wiederholungen in der Architektur und der Gestaltung zu entdecken, die ich in meinen Fotografien gezielt aufgreife.
 
Das klingt sehr spannend. Auf mich wirkt es wie eine intuitive Annäherung an dein Thema. Arbeitest du sehr intuitiv?  

Das ist eine gute Frage. Also eigentlich würde ich nicht sagen, dass ich sonderlich intuitiv arbeite, zumindest nicht in der Themenfindung. Bevor ich eine Arbeit anfange ist es mir wichtig eine grobe Thematik zu haben. Diese kommt meist aus einem bloßen Nachdenken über Dinge zustande. Trotzdem denke ich, dass meine Herangehensweise speziell bei dieser Arbeit sehr fotografisch und somit vielleicht doch intuitiv war. Im Prozess habe ich versucht in ein Verhältnis mit dem zu treten, was ich sehe und zu formulieren, was ich ausdrücken möchte. Die Art und Weise, wie ich die Dinge fotografiere, hat sich natürlich mit der Zeit entwickelt, verändert und präzisiert. Das ging dann so weiter bis ich zu einem Punkt gekommen bin, an dem mir die Ergebnisse gefallen haben. Da bin ich eben vor allem durchs Ausprobieren drauf gestoßen. Von dem Moment, an dem ich meine Arbeit angemeldet habe, bis zur Abgabe ist ein Jahr vergangen. Dazwischen hat sich viel getan.

Auszüge aus dem Fotobuch "Just Man" von Julius Barghop, 2021
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Welche Rolle spielt die Form deiner Arbeit für deren Inhalt?

Eine zentrale. Die Arbeit musste konsequent sein, daher sind alle Bilder stringent fotografiert und im Buch gleich gesetzt. Es geht um die von Menschen geschaffene Umwelt, die merkwürdig leer bleibt. Daher sind die Fotografien relativ flach konzipiert und bearbeitet, sodass viele verschiedene Grauwerte hervortreten. Das war mir wichtig, da das Grau die Idee der Mauer unterstreicht, die sich vor dem Individuum und der globalen Welt auftut.

Auf mich wirkt es so, als würde dein Thema zu Teilen auch einem persönlichen Konflikt und Frustration mit dem System und dem Kapitalismus entspringen. Liege ich da richtig?

 

Am Anfang war ich auf jeden Fall frustriert. Das ging dann einher mit dem Gefühl des Verlorenseins im System, was ja auch sehr zeitgenössisch ist. Gerade im Zuge der Pandemie und deren Auswirkungen fanden viele Problematiken vermehrt einen Platz im öffentlichen Diskurs. Das war zu Beginn ein ausschlaggebender Punkt für meine Themenwahl. Meine Entscheidung jedoch, diese Gefühle fotografisch umzusetzen, war ein Weg, mit dieser Frustration umzugehen und sie in Taten umzusetzen.

Das stimmt. Das letzte Jahr hat viele solcher Gefühle der Ausweglosigkeit noch einmal verschärft. In dem Sinne ist deine Arbeit doch auch politisch, oder? Würdest du sie so bezeichnen?

Per se ist ,,Just Man‘‘ keine formulierte Kritik und somit keine aktivistische Arbeit. Es geht nicht darum, etwas bloßzustellen, sondern eher etwas zu hinterfragen. Am Ende möchte ich die betrachtende Person aber nicht in eine bestimmte Richtung lenken. Eine Arbeit sollte schließlich nichts vorgeben, sondern eher neue Räume eröffnen und somit vielleicht zum Denken anregen. Aber ja, das Thema ist auf jeden Fall politisch.

Was, würdest du sagen, hat dich am meisten geprägt an der Folkwang?

Also generell war mein ganzes Studium eine sehr intensive Zeit mit vielen Wendepunkten. Was mich sehr geprägt hat ist das kritische Nachdenken über Fotografie, welches sehr charakteristisch ist für die Folkwang.

Schön. Ich erinnere mich, dass du bei Rundgängen ab und zu Musik aufgelegt hast. Dann lässt du nun wohl auch deine Karriere als Folkwang-DJ hinter dir?


Haha, na ja ,,DJ‘‘. Aber ja, dann vielleicht bald als Alumnus-DJ.

Hast du schon Pläne für die nächste Zeit?


Ich werde mich zum einen für einen Master bewerben. Zum anderen möchte ich die Zeit nach dem Studium aber auch dafür nutzen, zu überlegen und zu schauen, inwiefern ich meine Interessen weiterführen kann. Abgesehen davon würde ich gerne mein Buch verlegen lassen.

Das klingt toll. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg! Danke für das Gespräch.

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.


 

Kara Bukowski / 23. Juni 2021