Folkwang

Folkwang geht ab

Akkordeon-Abschlussprüfung in Zeiten von Corona: Die Suche nach der Motivation

Das Leben geht auch während der Corona-Pandemie weiter. Dazu gehört auch ein Studium abzuschließen. 

 

Aktuell studiert der Akkordeonist Bartosz Kołsut im Exzellenzstudiengang Folkwang Konzertexamen. Ende des letzten Semesters hat er den Master Professional Performance an Folkwang absolviert. Über seinen Erfahrungen mit einer besonderen Abschlussprüfung in Pandemiezeiten sprach er mit StudiScout Mihajlo Milošev.

Bartosz Kolsut, Foto: Gasiorowska und Zawadzki

Bartosz Kolsut, Foto: Gasiorowska und Zawadzki

 

Warum bist du überhaupt zur Folkwang gekommen?

Ich habe Prof. Mie Miki (Professorin für Akkordeon an Folkwang) in verschiedenen Sommer- und Meisterkursen als Lehrerin kennengelernt und wurde von ihr unterrichtet. Der Unterricht hat mir immer sehr gut gefallen und ich wollte bei Prof. Mie Miki weiter studieren. Nach meinem Bachelor an der Fryderyk Chopin Universität für Musik in Warschau wollte ich unbedingt auch im Ausland studieren und habe an der Eignungsprüfung in Essen teilgenommen. Ich habe sie bestanden und im Wintersemester 2018 mein Studium an der Folkwang angefangen. 

Wie ist deine Abschlussprüfung zum Master „Professional Performance“ gelaufen? Gab es Planungsunsicherheiten?

Lange war nicht ganz klar, ob meine Prüfung überhaupt stattfinden kann. Die Situation war dynamisch und konnte sich jederzeit ändern. Außerdem konnte ich nur sehr eingeschränkt proben. Deshalb habe ich meine Prüfung auch von Anfang an ohne kammermusikalische Stücke geplant. Dann gab es schließlich die Option, die Prüfung in Videoform abzulegen. Aber ich habe mich dagegen entschieden und stattdessen mein Studium verlängert. Ich hatte die Hoffnung, dass bald vielleicht alles wieder normal sein könnte. Zum Glück konnten dann im Februar 2021 tatsächlich Prüfungen in eingeschränkter Präsenz stattfinden. Das bedeutete: Mit Prüfer*innen, aber ohne Publikum. Diese Möglichkeit habe ich wahrgenommen und im selben Monat meinen Abschluss gemacht. Mit dem Ablauf der Prüfung bin ich sehr zufrieden, aber ich konnte keine Freunde einladen. Das war wirklich schade. 

Wie lief die Vorbereitung im Online-Unterricht für dich? Gab es besondere Herausforderungen? 

Online-Unterricht ist in der Anfangsphase einer Stückentwicklung ein guter Ersatz. Schwierig wird es aber, wenn es um künstlerische und ästhetische Fragen geht, die einen Präsenz-Unterricht verlangen. Glücklicherweise hatte ich viele Werke für das Masterprojekt schon vor der Pandemie einstudiert. Ich hatte schon klare Ideen, wie ich diese Stücke spielen möchte. Aber ich hatte trotzdem Motivationsprobleme. Plötzlich sind viele wichtige Bestandteile meiner künstlerischen Tätigkeit weggefallen oder sie waren nur eingeschränkt möglich. Deshalb habe ich im ersten Lockdown eine zweimonatige Pause vom aktiven, täglichen Spielen gemacht. Auch im zweiten Lockdown im November 2020 hatte ich erneut das Problem mit der Motivation. Aber dann habe ich verstanden, dass auch Musiker*innen und Künstler*innen ab und zu eine Pause brauchen, um „frische Luft” zu holen und weitergehen zu können. Ich habe auch trotzdem immer weiter am Unterricht teilgenommen. In den letzten Wochen vor der Prüfung habe ich in der Uni geübt und es war komisch, dass sie so leer war. Ich konnte mich nicht mit anderen Leuten über Musik, Stücke oder Projekte austauschen. Auch das hat mir gefehlt. 

Was war dein Abschlussprojekt und wie bist du darauf gekommen?

Mein Projekt hieß „Contrapunctus ad infinitum“. Es bestand aus drei Stücken von Johann Sebastian Bach und drei zeitgenössischen Werken verschiedener Komponisten. Alle modernen Stücke stehen ein bisschen im Zusammenhang mit der Musik von Johann Sebastian Bach. Beendet habe ich mein Programm mit dem unvollendeten „Contrapunctus XIV“ aus „Die Kunst der Fuge“. Das „ad infinitum“ bezeichnet den endlosen Einfluss von Johann Sebastian Bachs Musik, der bis in die zeitgenössische Musik zu finden ist.

Gab es für dich auch etwas Positives an dieser besonderen Vorbereitungsphase?

Natürlich. Ich weiß jetzt, wie ich mich in besonderen Situationen motivieren kann und wie ich mich zum Üben motivieren kann. Kurz gefasst lautet die Lösung: positiv denken. Denn auch wenn man keine Konzerte spielen darf und nicht das machen kann, worauf man sich jahrelang vorbereitet hat, sollte man hoffen, dass es irgendwann weiter geht.

Außerdem konnte ich dank der Pandemie zusammen mit einem Freund aus Polen ein Akkordeonduo gründen. Das Duo heißt „Face2Face“ und wir spielen vor allem Crossover-Musik. Obwohl wir es schon länger geplant haben, hat sich bis zum letzten Jahr nie die Möglichkeit ergeben, das Projekt konkret anzugehen. Letztes Jahr im Mai haben wir endlich unsere ersten Aufnahmen gemacht und sie sind jetzt im Internet zu hören

Was machst du jetzt, wie planst du deinen Berufseinstieg?

Ich studiere gerade im Folkwang Konzertexamen. Das ist eine gute Erweiterung in meiner künstlerischen Entwicklung. Außerdem bin ich Lehrer in einer Musikschule. aber ich habe viele Pläne für die Zukunft. Ich versuche, immer aktiv zu bleiben und nehme regelmäßig Musik auf. Ich habe vor, eine weitere CD zu veröffentlichen und warte auf bessere Zeiten für solche Ideen. Auch mit dem Duo planen wir neue Audio- und Videoprojekte mit Stücken, die nicht für Akkordeonduo geschrieben wurden, aber die man in einer für zwei Akkordeons bearbeiteten Version gut spielen kann. 

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich wünsche mir und uns allen, dass alles wieder normal sein wird. Außerdem wünsche ich mir vor allem, dass eine Pandemie oder andere Ausnahmesituationen unsere Träume und Pläne nicht zerstören können.

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Mihajlo Milošev / 10. Mai 2021