Folkwang

Erben – Groteskes zum demografischen Wandel

Am 16. und 17. November zeigten die beiden Folkwang-Alumni Oliver Möller und Max Pothmann als Künstlergruppe MP2 ihre zweite spartenübergreifende Produktion „Erben“ in der Kölner Wachsfabrik. Mit dabei Katharina Sim, die erst diesen Sommer ihren Abschluss an der Folkwang tanzte. Und Hartmut, Geburtsjahr 1941.

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Die stinken. Die sind geizig. Die sind langweilig.

Das Schimpfen auf die Alten am Anfang des Stückes, war für Katharina Sim (*1987) das Schwierigste. Normalerweise komme sie gut klar mit älteren Leuten.
Nach der Aufführung von „Erben“ sitze ich im urigen Café der Wachsfabrik in Köln und rede mit den DarstellerInnen. Ich bin hier, weil ich von einem Flyer begeistert war. Oder besser von dem Foto darauf. Ein halbnackter alter Mann und eine junge Tänzerin. Und weil ich wissen will, wie es einem geht, als studierter „Künstler“ nach seinem Abschluss.

Max Pothmann studierte von 2002 bis 2007 an der Folkwang Bühnentanz, Oliver Möller schloss seine Ausbildung im Physical Theatre 2010 ab. Drumherum sind ihre Lebensläufe bunt. Max macht neben Tanz Fotografie, Film, Literatur und baut Möbel. Oliver hat zwei Jahre als Straßenkünstler und Clown gelebt, macht Theaterpädagogik und Seniorentheater. 2010 gründeten sie die Künstlergruppe MP2. „Mit Zucker und Zyankali“ war die erste gemeinsame Produktion im Herbst 2011.

Jetzt folgte mit „Erben“ das zweite Bühnenstück. Das Team hat sich hierfür auf fast zehn Leute vergrößert. Es gab dramaturgische und choreographische Beratung und einen Lichttechniker - dank privater Sponsoren.

Wenn man in der Freien Szene eigene Stücke realisiert sei man leidensfähig, habe einfach Glück oder aber viel Geduld. Letzteres haben wir, sagen Max und Oliver.
Um „Erben“ zu realisieren, haben sie beide bis September durchgearbeitet, auch mal als Möbelbauer, und sich damit bis zum Ende des Jahres finanziert.
Die Idee sich mit dem Thema Alter zu befassen, entstand schon vor über einem Jahr.

2050 wird jeder fünfte Deutsche über 60 sein.

Ein Satz, der im Stück immer wiederkehrt.

Wie gehen wir damit um?

Ein alter Mann zieht sein Hemd aus.

Max Pothmann kannte Hartmut Misgeld von einer Produktion in Köln und hat sofort an ihn gedacht. Der 72jährige war eigentlich erst kaufmännischer Angestellter. 1999 kündigte er seinen Job und wurde Tänzer - mit fast 60 Jahren.
Mit ihm zu arbeiten war für alle Beteiligten inspirierend. Aber wirklich alt fühlt er sich nicht. Nur auf der Bühne. In der Szene als er zwischen den zwei jungen Männern sitzt und gefüttert wird.

Auch wenn er schon im Bereich Tanztheater gearbeitet hat (mit dem Begriff Physical Theatre kann er gar nichts anfangen), brachte eine Produktion in so einer kleinen Gruppe auch viele neue Erfahrungen für ihn.

Das Stück ist zu 80 Prozent in den Proben entstanden. Dabei sind sechs Wochen mit fünf Stunden am Tag eigentlich zu wenig. Max und Oliver hätten gerne mehr Budget und Zeit gehabt, damit die Dramaturgin mehr als einmal drübergucken kann, damit man mehr Zeit hat auszuprobieren. Aber so sieht die Reailtät leider aus in der Freien Szene.

Wir hatten ein gutes Team, sagen die zwei. Es ist wichtig, dass man seine DarstellerInnen ernst nimmt, sie motiviert und nicht durchschleift. Die Erfahrung hat Max als Tänzer selber oft genug gemacht. In diesem Stück steckt ein großer Teil von allen Beteiligten. Aus Improvisationen, aus Geschichten, die sich alle ausdenken sollten und aus den eigenen Lebenserfahrungen.

Katharina Sim ist froh, dass sie direkt nach ihrem Umzug nach Köln ein Projekt gefunden hat, bei dem sie so kreativ involviert ist, nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Form, wie sie sich einbringt. Sie tanzt ein mich berührendes Solo, aber sie schauspielt auch und singt - in österreichischer Mundart.

Das Lied, das sie in den Pausen trällerte, hat seinen Weg ins Stück gefunden. Für Katharina verkörpert die österreichische Weise, die sie von ihrem Großvater gelernt hat, den Begriff „Erben“. Und für die anderen?

Oliver ist gerade Vater geworden. Er fing während der Probenzeit irgendwann an mit einem Sack Reis zu improvisieren. Ist das das Erbe? Ein Baby? Eine schwere Last?

Dass das Stück immer wieder grotesk wird und keine Erklärungen gibt, sondern sich ganz der Interpretation des Zuschauers hingibt, ist für Hartmut der Grund, warum es funktioniert.

Auch ich finde meine Schlüsselszene. Ein alter Mann zieht das Hemd aus. Katharina tanzt um ihn herum, streichelt liebevoll seine Altersflecken. Dann tanzen sie zusammen.

2050 wird jeder fünfte Deutsche über 60 sein. Wenn alle so sind wie Hartmut, habe ich damit kein Problem.eitere Spieltermine. 17. und 18. Januar 2014 bei Barnes Crossing in der Wachsfabrik 20 Uhr.

Weitere Spieltermine: 17. und 18. Januar 2014 um 20 Uhr bei Barnes Crossing in der Wachsfabrik Köln.

 

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts "Folkwang StudiScouts".

 

Maria Trautmann / 20. November 2013