Folkwang

Damals an Folkwang mit Anna und Norbert

Anna und Norbert Kern sind gute Freunde meiner Eltern. Norbert ist Pianist und Anna Deutsch- und Musiklehrerin. Beide haben an Folkwang Klavier studiert. Über das Studium damals und den heutigen Bezug zur Hochschule habe ich, StudiScout Henriette Lips, mich mit Anna unterhalten.

Anna Kern 1 c Henriette Lips

Foto: Henriette Lips

 

„Er war für mich eine Mischung aus Freund und Professor.“

Anna kocht Kaffee, im Hintergrund spielt Norbert Klavier. So ist es immer, wenn ich zu Besuch bin. Entweder man hört Klavier, Trompete, Geige oder Kontrabass. Über Musik habe ich mich schon oft mit Anna unterhalten, doch noch nie über ihr Studium.
Anna hat schon eine Kiste aus dem Keller geholt und packt aus: alte Stundenzettel, ein Studierendenausweis und unzählbar viele Fotos von musizierenden Menschen. Ein blonder Mann taucht auffällig oft auf. „Das war mein Klavierprofessor damals -  Prof. Felix Michael Deichmann“, erzählt mir Anna. „er war allerdings eher eine Mischung aus Freund und Professor. Wir sind oft mit dem ganzen Kurs weggefahren und haben zusammen Ausflüge unternommen.“ Neben Klavier spielen sei es Deichmann auch sehr wichtig gewesen, den Studierenden Genuss zu vermitteln. „Wir haben immer viel zusammen gekocht und gegessen. Dabei dann gespielt und uns alle unterhalten.“ Sogar nach ihrem Studium hatte Anna noch viel Kontakt zu ihrem damaligen Professor. Er habe sie noch oft besucht und auch immer von ihm gemalte Bilder mitgebracht.

 

„Ich habe so viel gepaukt - aber zum Glück hat alles geklappt!“

Als Anna ihren alten Studierendenausweis in die Hand nimmt, kommen viele Erinnerungen an ihre Anfänge an der damaligen Folkwang Hochschule hoch. Sie erzählt mir von ihrer Aufnahmeprüfung. „Ich habe so viel gepaukt - aber zum Glück hat alles geklappt. Sonst säße ich wahrscheinlich heute gar nicht mit dir hier“, sagt sie lachend. Die Aufnahmeprüfungen an der Folkwang Universität der Künste sind für alle Fächer verschieden. Für das Fach Kommunikationsdesign muss man sich beispielsweise mit einer Mappe bewerben, während man für ein instrumentales Hauptfach in der Regel vorspielen muss.
Als sich Anna im Jahr 1980 für Musik auf Lehramt bewarb, fand die Prüfung noch in der Alten Aula ( heute Pina Bausch Theater) statt, und es waren fünf Klavierprofessoren dabei. Außerdem bestand die Jury aus einem Theorieprofessor für Schulmusik und zwei Gesangslehrern. „Zuerst Vorsingen! Ich musste ein unbegleitetes Volkslied und ein Kunstlied singen.“ Ihr Kunstlied sei „Männer suchen stets zu naschen“ von Mozart gewesen. „Dann noch ein unbekanntes Lied vom Blatt singen und noch einen Text vorlesen. Da musste ich erst etwas stottern, aber dann ging es doch.“
Ebenfalls holprig lief die Klavierprüfung, die als nächstes dran war. Die zwei neuen Stück spielte Anna fast perfekt vom Blatt. Als sie mit dem zweiten Stück fertig war, wurde ihr klar, dass sie alle Vorzeichen außer Acht gelassen hatte und das Stück in Dur anstatt in Moll spielte. „Als ich die Jury ansah, wusste ich, dass sie es wussten. Aber den Fehler verziehen sie mir“, erzählt sie schmunzelnd.


Annas damaliger Studierendenausweis


Für die Theorieprüfung hatte sie sich lange mit ihrer Mutter vorbereitet, die ebenfalls an der Folkwang Schulmusik studiert hat. Fast alle Mitglieder von Annas Familie sind Folkwang-AbsolventInnen. Ihre Mutter studierte, als sie mit ihr schwanger war, an der Hochschule. Ihre Schwester und ihr Bruder waren ebenfalls Studierende. Auch ihren Mann Norbert lernte sie während ihres Studiums kennen. „Professor Deichmann hat damals einmal in der Woche eine Art Symposium veranstaltet, bei dem jeder seiner Studierenden vorspielen konnte. Es waren immer alle von Deichmanns Studierenden eingeladen (und meistens waren auch fast alle da). Selbst vorzuspielen war jedoch eine Art Ehre, die man sich erst erarbeiten musste. Irgendwann hat Norbert vorgespielt.“ Sie zeigt mir ein Foto von dem jungen Norbert mit Schnurrbart am Flügel. „Wir hatten die gleichen Schuhe an. Daraufhin habe ich ihn dann angesprochen und ihn später noch zu einem Eis eingeladen. So war das damals!“ Ich stelle mir das sehr schön vor, jemanden im Studium kennenzulernen, der mit einem die gleiche Leidenschaft teilen kann.
Auch heute spielen sie noch oft zusammen Duette am Flügel im Wohnzimmer. Früher haben ihre beiden Kinder noch mit Geige und Trompete mitgemacht. Allerdings leben Alma und Leonard inzwischen nicht mehr zu Hause, sodass sie nur noch selten gemeinsam mit ihren Eltern musizieren.


Anna und Norbert an Norberts altem Flügel im Wohnzimmer

„Die Studienzeit ist die schönste Phase im Leben eines Künstlers.“

Folkwang heute ist für sie natürlich noch relevant. Ab und an besuchen die beiden das  Museum Folkwang oder ein Konzert der Hochschule. „Die Studienzeit ist die schönste Phase im Leben eines Künstlers. Man kann sich noch in einem unterstützenden Rahmen ausprobieren und lernt immer dazu“, erzählt sie mir. „Ich war umgeben von kreativen Menschen, die genau das gleiche gemacht haben wie ich. Das vermisse ich heute sehr. Im Alltag kommt so ein Ausleben natürlich zu kurz.“ Folkwang sei für die beiden ein Ort des kreativen Ausprobierens und der Unterstützung gewesen, wo sie nicht nur für ihr Fach gelernt haben, sondern auch viel über sich als Person.

 

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Fotos: Henriette Lips

 

 

 

Henriette Lips / 31. Januar 2018