Folkwang

folkwang ist... selbstreflektiert

Wie funktioniert Jazz-Unterricht an Folkwang in Zeiten von Corona? Die Jazz Studierenden Joe Schmitz und Marc Hewitt und ihre Kommiliton*innen haben eine kreative Antwort gefunden: den musikalischen Kettenbrief. Wie der funktioniert und klingt und was sie daraus für die Zukunft mitnehmen, darüber sprachen sie mit Folkwang StudiScout Mihajlo.
 

Folkwang Jazz Studierende Marc Hewitt und Joe Schmitz
Folkwang Jazz Studierende Marc Hewitt und Joe Schmitz | Fotos: Marvin Skasa, Tom Schmitz

Ihr spielt zusammen in einer Jazz-Combo. Wie sieht die genau aus?

Joe: In der Funk- und Fusion Combo von Frank Sichmann (Dozent und Combo-Leiter) waren wir dieses Semester zu siebt: Drums, Bass, Gitarre, zwei Keyboards, Trompete und Saxofon. Wir alle sind Studierende des Studiengangs Jazz | Performing Artist. Bis auf einen studieren alle im 2. Semester Bachelor.

Wie habt ihr euren ersten Kettenbrief „geschrieben“?

Marc: Am Anfang haben wir in einem Video-Call besprochen, welche Stücke wir aufnehmen wollen, und wie wir diese aufnehmen möchten. Nach unserer Besprechung hat dann beispielsweise Frank mit dem Bass die Grundlage des Stückes aufgenommen. Danach folgten die weiteren Rhythmusgruppen-Instrumente: Gitarre, Drums und Keys. Als dann alle Instrumente inklusive die zwei Bläser eingespielt waren, hat Frank in einem Musikprogramm alle Spuren zusammen gemischt und das Endprojekt fertiggestellt.

Welche technischen und welche musikalischen Herausforderungen sind euch begegnet?

Joe: Bei dieser Art von Zusammenarbeit sind kleine Fehler meist viel verheerender als in einer Livesituation. Spielt der Schlagzeuger mal leicht neben dem Takt, tut es der Bassist, der danach aufnimmt, auch. Entschließt sich der Schlagzeuger später dazu, seinen Part neu aufzunehmen und an diesen Stellen leicht anders zu spielen, passt nichts mehr zusammen, weil sich alle, die nach ihm aufgenommen haben, auf seine erste Aufnahme basiert haben. Man kann also sagen, dass Flexibilität kaum existiert, da durch den Prozess des Nacheinander-Aufnehmens alles sofort in Stein gemeißelt ist. Uns war anfangs nicht bewusst, wie wichtig es ist, dass die Aufnahmen eigentlich perfekt sein müssen, um einen kohärenten Song zu produzieren.

Marc: Es passiert natürlich ab und zu, dass mal etwas mit der Technik nicht stimmt oder dass die Software einfach nicht mitspielen will. Manchmal kann es aber auch sein, dass man eine Audioaufnahme ein paar Takte zu weit nach vorne oder hinten verschiebt. Die größte musikalische Herausforderung war wahrscheinlich zu akzeptieren, dass unsere Versionen nicht auf demselben Niveau sein können, wie die Aufnahmen der Stücke, die wir uns in unserer Freizeit gerne anhören. Frank hat uns immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass wir unser kleines Corona-Projekt nicht mit den Aufnahmen unserer Jazz- und Funk-Helden vergleichen sollten. Wobei man dies beim kritischen Anhören der eigenen Stücke recht schnell wieder vergisst – mal hier noch ein Kiekser und da ein Hauch zu früh eingesetzt... Dabei sind wir ja alle ganz am Anfang und haben noch einen weiten Weg vor uns.

Hilft euch das Online-Format auch beim analogen Musizieren?

Joe: Durch diese Arbeitsweise hatten wir die Möglichkeit, nach dem Aufnehmen mit den Spuren zu spielen und Instrumente kreativ rein- und rauszuschneiden. Im Präsenzmusizieren ist man oft mehr mit dem eigenen Spielen beschäftigt. Durch den Kettenbrief weiß ich jetzt, dass ich beim Spielen darauf aufzupassen sollte, wer gerade spielt und überlegen, ob ich überhaupt noch etwas dazu spielen muss.

Marc: Auf jeden Fall! Man konnte nicht nur Erfahrungen mit Selbstaufnahmen und Software sammeln, sondern es war auch eine gute Möglichkeit zum Reflektieren: An welchem Punkt der musikalischen Weiterentwicklung bin ich, welche Phrasen beherrsche ich gut, wo bin ich möglicherweise zu hoch, zu tief, oder einfach zu schräg etc. All diese Fragen lassen sich viel besser beantworten, wenn man sein eigenes Spiel im Nachhinein hört und sich wirklich auf das Zuhören fokussiert, als wenn man in der Bandprobe sich nur auf das Spielen konzentriert.

Werdet ihr im nächsten Semester voraussichtlich auch mit einem Kettenbrief arbeiten?

Marc: Auch wenn wir in diesem äußerst merkwürdigen Kreativsemester sehr viel gemacht haben, was wir in einem Präsenzsemester niemals machen würden: Wir wären alle sehr froh, wenn wir bald wieder zusammen „zocken“ könnten.

Joe: Wenn es weiterhin kein Ensemble-Unterricht stattfinden kann, bleiben Kettenbriefe trotz allem wohl die beste Wahl. Aber: Musik ist am schönsten, wenn man sie mit anderen teilt. Auch wenn es interessant war, eine Zeit lang eine alternative Herangehensweise zu probieren und wir dabei auch vieles gelernt haben – es geht doch nichts über die Erfahrung, gemeinsam im gleichen Moment zusammen Musik zu machen.


Und so klingt der musikalische Kettenbrief: