Folkwang

Linguhacks / Typohacks
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Linguhacks/Typohacks

»Linguhacks/Typohacks« ist die Bachelorarbeit von Hannah Witte, Absolventin des Studiengangs Kommunikationsdesign and der Folkwang Universität der Künste. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit Hacking-Methoden für eine nicht-binäre und gendersensible Nutzung von Typografie in der deutschen Sprache. Das Buch beinhaltet einerseits eine Einführung in die Thematik gendersensibler Sprache für Gestalter*innen und sich im Gestaltungskontext bewegende Personen. Zudem ist es ein typografisches Nachschlagwerk mit Vorschlägen und Ideen zum mikrotypografischen Umgang mit nicht-binären Sprachformen.

Hannah Witte verwendet den Begriff Hacking als Störung oder Eingriff in bestehende gesellschaftliche Normen, in diesem Fall orthographische und typographische Normen. Dadurch, dass das Buch zwei um jeweils 90 Grad gedrehte Innenteile hat, kann die Leser*in individuell entscheiden mit welcher Hälfte sie beginnen möchte. Linguhacks bietet eine linguistische Einführung in das Thema der gendersensiblen Sprachhacks und richtet sich somit an alle interessierten Leser*innen, welche die verschiedenen Sprachformen und deren Hintergründe erst einmal kennen lernen möchten. Der Buchteil Typohacks baut auf diesem Vorwissen auf und visualisiert typografische Experimente und Vorschläge, mit Genderstern und Co. in der Gestaltung umzugehen.

Eine Reihe von Interviews mit den Gestalter*innen Ann Richter vom Studio ­Pandan, Daniela Burger vom Missy Magazine und Folkwang-Professor Ralf de Jong, Mitautor des Nachschlagwerks »Detailtypografie«, geben einen Einblick in den aktuellen Umgang mit gendersensibler Sprache innerhalb der Gestaltungsszene. Wir haben Hannah zu ihrem Buch und zu ihrer Zeit an Folkwang befragt.

  • Willst du dich kurz vorstellen und erzählen, was du studierst, woran du so arbeitest und worauf du dich spezialisiert hast?

Mein Name ist Hannah Witte und ich studiere seit dem Wintersemester 2020/21 Grafikdesign in der Klasse für Systemdesign an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. Letzten Sommer habe ich meinen Bachelorabschluss in Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität der Künste gemacht. Der Schwerpunkt meiner Arbeiten lag bisher auf konzeptuellem und inhaltlichem Research zu gesellschaftspolitischen Themen (Feminismus, Gender, race) und ihrem Verhältnis zur Gestaltung (Typografie und eine non-binäre Nutzung von Sprache) und der grafischen Vermittlung von Informationen mittels Buchgestaltung, Kartographie, Workshops, Installationen oder digitalen Medien.

  • Wie lange beschäftigst du dich schon mit dem Thema Gestaltung & Sprachhandeln im Gender-Kontext und wie hat diese Beschäftigung angefangen?

Im Rahmen meiner Mitarbeit beim Astareferat Gender@Folkwang organisierte ich 2018 einen Workshop mit der Texterin Sonja Knecht, in dem ein gendersensibler Sprachumgang speziell für Gestaltungsstudierende thematisiert wurde. In dem Workshop setzten wir uns sehr praxisbezogen mit den verschiedenen Facetten von Sprache, Ausdrucksmöglichkeiten, Umformulierungen und Methoden für einen gendersensiblen Sprachgebrauch auseinander. Parallel schrieb ich zu der Zeit an einer Hausarbeit über die ausschließende Wirkung des generischen Maskulinums. Durch die verschiedenen Auseinandersetzungen wurde ich recht stark für diese Thematik sensibilisiert. Als ich dann vergangenen Sommer ein Praktikum in einer Designagentur machte, fiel mir sowohl eine fehlende Sensibilität als auch eine Unsicherheit im Umgang mit den gendersensiblen Sprachformen auf. In der Agentur häufig genutzte Typografieratgeber, wie beispielsweise das Buch »Detailtypografie« von Forssmann und de Jong, gaben keinerlei Hinweise über die typografische Anwendung von Genderstern und Co. Also begann ich zum Thema Gender und Typografie zu recherchieren und fand heraus, dass es zwar auf diversen Typografieforen jede Menge Unstimmigkeiten unter den Gestalter*innen über den praktischen Umgang gibt, aber bisher noch keine veröffentlichte umfassende Auseinandersetzung in dem Bereich. So entschied ich mich, zu der Thematik im Rahmen meiner Bachelorarbeit zu forschen.

  • Du sagst ja, du hast das Buch auch deswegen geschrieben, weil sich bis jetzt noch niemand systematisch mit dem Thema auseinandergesetzt hat.  Was passiert diesbezüglich gerade in Gestalter*innenkreisen? Ist das ein aktuell breit geführter Diskurs oder eher ein Nischenthema?

Ich denke, dass das Thema aktuell immer mehr thematisiert wird und sich recht viele Gestalter*innen ganz ähnliche Fragen stellen. Die Designwissenschaftlerin Anja Neidhardt hat beispielsweise bereits Ende 2018 den Artikel „Streit um Asterisk“ im ROM Magazin veröffentlicht, in welchem sie verschiedene Postionen von Gestalter*innen zum Umgang mit gendersensiblen Sprachhacks thematisiert. Und das Studio Pandan gab vor kurzem in der Hochschule in Kiel einen Gestaltungsworkshop zum fairen Umgang mit Sprache und Schrift. Auch Nina Sieverding, die Chefredakteurin des Form-Magazins, erzählte mir, dass das Thema typografischer Umgang mit gendersensible Sprache im Magazin bei Ihnen Anfang des Jahres ebenfalls Thema war.

  • Du schreibst, dass du dich als Gestalterin immer auch in einer inhaltlichen Rolle siehst… gibt es Grenzen in dieser Rolle?

Klar, es gibt auf jeden Fall Grenzen! Ich verstehe die Arbeit der Gestalter*in als kollaborative Tätigkeit, in der Gestaltende und Auftrags- oder Inhaltsgebende Hand in Hand arbeiten. Das heißt, die Inhalte werden gemeinsam entwickelt und somit verteilt sich auch die Rolle auf mehrere Positionen.In der Realität sind die Hierarchien aber natürlich häufig nicht gleichwertig, sodass die Gestalter*innen bloß in der Rolle der grafischen Umsetzung, für die bereits generierten Inhalte gesehen werden.

  • Kannst du verstehen, wenn andere Gestalter*innen das nicht so sehen?

Ja. Sich von bestimmten Aufträgen und Inhalten zu distanzieren ist ja auch eine Frage der Privilegien und Möglichkeiten. Grundsätzlich halte ich es für sehr wichtig die Rolle und politische Verantwortung als Gestalter*in bereits im Studium zu thematisieren und eine Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle zu fördern.

  • Dein Buch ist voller Vorschläge für eine Lösung des Problems Schriftbild – welcher ist dein Favorit?

Mir gefällt am besten der Vorschlag den Genderstern in der Größe der x-Höhe (wie einen Kleinbuchstaben) anzulegen. Dies bedarf allerdings ein extra angelegtes Zeichen im Zeichensatz, da eine einfache Skalierung des Asterisk auf x-Höhe zu einer verzerrten Darstellung der Strichstärke führt. Darum nutze ich in meiner eigenen Arbeit meistens die Lösung, den Genderstern auf die x-Höhe runter zu schieben. Das ist in gängigen Layout-Programmen wie InDesign relativ simpel umzusetzen.

  • Reden wir über deine Zeit an Folkwang. Inwieweit hat dich dein Studium an Folkwang darin unterstützt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Gab es auch Leerstellen?

Ich hatte grundsätzlich eine sehr gute und intensive Zeit an der Folkwang Universität der Künste, an die ich gerne zurück denke. Während meines Studiums bin ich auf das Astareferat Gender@Folkwang aufmerksam geworden und habe gemeinsam mit der Studentin Hanna Fink verschiedene Workshops und Vortragsreihen am Fachbereich Gestaltung und Musik zum Thema Feminismus, Gender & Diversity in Bezug auf unsere Fachbereiche organisiert.  Eine tolle und für mich sehr wichtige Bereicherung des Studiums stellte außerdem die neue Professur für Gender & Diversity im Fachbereich Gestaltung dar, welche mit Prof. Simon Dickel besetzt wurde. Durch die angeboten Theoriekurse im Bereich Gender Studies wurde es mir möglich, die dort behandelten Themen mit meinen praktischen Arbeiten zu verbinden. Generell würde ich mir aber wünschen, dass eine Auseinandersetzung und eine Thematisierung mit der politischen Verantwortung als Gestalter*in noch viel mehr in den einzelnen Kursen thematisiert und ausgebaut wird. Ich hatte an einigen Stellen in der Lehre den Eindruck, dass keinerlei Bewusstsein und Sensibilität zu den Themen non-binäre Geschlechtsrealitäten, sexistische und rassistische Inhalte, oder eurozentristischen Werten bestand. Ich empfinde es außerdem als sehr problematisch, dass alle Professuren im Studium Kommunikationsdesign ausschließlich männlich und weiß besetzt sind und wünsche mir, dass dieser Missstand in Zukunft mehr Beachtung findet.

  • Was hält deine Zukunft bereit? Wirst du weiter im Bereich Gender arbeiten oder machst du etwas komplett anderes?

Seit dem Wintersemester 20/21 studiere ich in der Klasse für System-Design, bei Prof. Maureen Mooren und Malin Gewinner an der Hochschule für Buchkunst in Leipzig. An der System-Design Klasse gefällt mir besonders gut, dass hier Design, als ein "kritisches Werkzeug" diskutiert wird. Dieses Verständnis von Design setze ich weiterhin in meiner gestalterischen Arbeit mit feministischen, politischen und gendersensiblen Thematiken ein. Parallel zum Studium erarbeite ich zur Zeit gemeinsam mit dem Verlag des form Magazins eine Kickstarter Kampagne, um mein Buch Linguhacks/Typohacks zu publizieren. Diese wird im März in online gehen und ich freue mich sehr über die Entwicklung dieses Projektes!

Das Buch »Linguhacks/Typohacks« wird 2021 vom Verlag des form Magazins veröffentlicht und soll mit Hilfe einer Kickstarter-Kampagne finanziert werden. Wer über die Kampagne auf dem Laufenden gehalten werden möchte kann Hannah per Mail kontaktieren.