Folkwang

Wie weit muss man gehen, um näher zu kommen?

Symposium Transdisziplinäre Gestaltung am 06. und 07. Juli 2017 im SANAA-Gebäude

Anlässlich der Gastprofessur von Alan N. Shapiro im Folkwang Graduate Programm Gestaltung Heterotopia erschien im März das Buch »Transdisziplinäre Gestaltung. Essays der Folkwang Universität der Künste« im Wiener Passagen Verlag. Die hier versammelten Texte nehmen gesellschaftliche, technologische und ökonomische Veränderungen unter die Lupe, die von GestalterInnen neues Handeln und Denken erfordern und zeigen, wie die HeterotopistInnen der Folkwang über diese Aufgabe denken. Und weil das gesprochene Wort oftmals lebendiger ist als das geschriebene, fand vom 06. bis 07 Juli 2017 ein begleitendes Symposium im SANAA-Gebäude statt, das nicht nur Inhalte aus dem Essayband bot, sondern auch mit spannenden Gast-Vorträgen, Diskussionen und einer begleitenden Ausstellung aufwartete. StudiScout Mona Leinung war dabei und hat die zwei Tage Revue passieren lassen:

Symposium transdisziplinaere gestaltung 2017 c Anastasija Delidova

Foto: Anastasija Delidova

 

Mit der Transdisziplinarität ist das ja immer so eine Sache. Ähnlich wie ein großes Heilsversprechen in apokalyptischen Zeiten ist der Ruf nach Transdisziplinarität in der postmodernen Orientierungslosigkeit laut geworden. Fröhlich wird sie an jeder Ecke gefordert, unbedingt sollen fachliche oder institutionelle Grenzziehungen überwunden werden und verschiedene disziplinäre Denkmuster ineinander integriert werden. Der Leidensdruck scheint hoch, unsere Lebenswelt komplex, da braucht es schon ein paar mehr Fachfrauen (na gut, oder -männer). Denn Schon Goethe und die Humboldt-Brüder waren ja schließlich auch schon transdisziplinäre Denker!

Frei nach dem Motto »was allein nicht geht, klappt ja vielleicht zusammen« betreibt man Transdisziplinarität laut Google zum Beispiel bei der Entwicklung von Implantaten, bei der Entsorgung radioaktiver Reststoffe, bei Fragen rund um das nachhaltige Landmanagement und eben auch an der Folkwang Universität der Künste. Wie sieht denn diese Transdisziplinarität aus? Heißt das, wir lassen die Heterotopisten mal einen Kurs zu Gregorianik oder Ergonomie besuchen und gucken mal, was sie davon inspiriert? Trainiert man sich in Heterotopia verstärkt in geistiger Flexibilität - jeden Morgen mentales Stretching für die ungenutzten Teile des Gehirns sozusagen? Oder heißt Transdisziplinarität, dass beim nächsten Problem aber doch mal ein paar mehr Texte aus anderen Wissenschaften gelesen werden sollten? So genau weiß das eigentlich keiner. Moritz Kotzerke und Christian Berens berichten in ihrem Vortrag »Let’s figure out that shit together!« von den produktiven Schwierigkeiten bei der Vermittlung zwischen den Disziplinen. Benjamin Foerster-Baldenius beklagt sich über die zahlreichen Innovation-Coworking-social-impact-Labs, die in den Metropolen wie Pilze aus dem Boden sprießen und kaum noch von Designshops für Inneneinrichtung oder Miniaturen des Google Headquarters zu unterscheiden sind. Und Vera Kockot-Baur und Ruedi Baur verdeutlichen in ihrem Vortrag »Heterotopia und transdisziplinäre Gestaltung« was die ganz bescheidenen Ziele einer Hochschule sein müssen, die inklusive Gestaltungsprozesse moderieren und Schnittstellenkompetenzen ausbilden will. Bei all den hübschen Containerbegriffen fliegt schließlich auch noch ganz gefällig die Vokabel »Ganzheitliches Denken und Handeln« durch den Raum, die aber eigentlich auch niemanden schlauer werden lässt.

Schnell wird also klar, dass die Transdisziplinarität vor allem ein Bestimmungsproblem hat und bei ihrer schnell wachsenden Popularität ziemlich diffus geblieben ist. Wir sollten also nicht versäumen, darüber zu streiten, was sie in unserer Hochschule bedeuten kann, wo ihre Grenzen sind und wo ihre Potentiale. 

Und doch gibt es an diesen Tagen ein paar überaus spannende Einsichten in die Felder Philosophie, Medientheorie und Informatik, wenn Florian Arnold zum Beispiel über Geschichte als narratives Framing spricht und wie wir folglich von Fiktionen lernen können. Auch die begleitende Ausstellung macht Spaß: Hier haben Studierende Passagen aus den Essays zum Anlass genommen, räumliche Übersetzungen in Material und Form zu finden. Die zum Teil sehr poetischen Arbeiten (s. Foto) sind bei aller Unschärfe über Transdisziplinarität ein leiser Trost und lassen erahnen, dass manches nicht gesagt werden kann, sondern letztlich erfahrbar bleiben muss.

 

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

Foto: Anastasija Delidova

 

Mona Leinung / 02. August 2017