Folkwang

Große Resonanz

bei der Veranstaltung "Entdeckung des Obertongesangs" von und mit Prof. Gareth Lubbe

Am 15. April 2014 gab Prof. Gareth Lubbe, Professor für Viola an Folkwang, eine praktische Einführung in den Obertongesang und andere polyphonische Gesangstechniken.

Denjenigen, die es zu dieser Veranstaltung nicht geschafft haben, kann ich nur sagen: Ihr habt etwas verpasst! Aber zum Glück gibt es ja die StudiScouts, die für euch alles zusammenfassen und sogar ein Audiomitschnitt vorbereiten – das ist dann fast, als wärt Ihr selber da gewesen ;-).

Wenn man jetzt nur vom Titel der Veranstaltung ausgeht, könnte man meinen, dass sie hauptsächlich für Sänger ausgelegt ist, aber tatsächlich braucht man kein gesangliches oder musikalisches Fachwissen zu haben, um sich für das Phänomen des Obertons begeistern zu können, denn: Der Oberton ist universell.
Prof. Gareth Lubbe beschreibt ihn so:

„Der Oberton ist ein natürliches Schwingungsphänomen, das man im gesamten Kosmos wiederfindet. Bei jeder Schwingung erzeugt die Grundschwingung zusätzliche schnellere Schwingungen, die sich überlagern. Das ist ein universelles Schwingungsverhalten der Natur.“

Wer sich darunter nichts vorstellen kann erfährt hier mehr in einem ersten kleinen Klangbeispiel (Obertongesang mit zwei Obertönen gleichzeitig):


Er ist also überall zu finden, der Oberton. In der alltäglichen Sprache, beim Kaffeeautomaten, Autofahren, bei der Straßenbahn und natürlich in der Musik, so Lubbe in seinen weiteren Ausführungen. Wir alle produzieren tagtäglich eine Vielfalt und Unmengen von Obertönen - wir sind uns ihrer nur nicht bewusst und haben nicht gelernt (oder verlernt), sie zu hören.

Um das Hören geht es auch primär, wenn man Obertongesang lernen will. Der Spezialist Lubbe, der sich den Obertongesang durch jahrelanges Ausprobieren und Zuhören selber beigebracht hat, hätte einem Obertonschüler „nicht viel zu sagen“. So gibt er selbst mit einer fast entschuldigenden Haltung zu. „Es geht nicht darum, wie singe ich Obertöne, sondern wie höre ich, wie erkenne ich meine eigenen Obertöne. Und das ist das Prinzip.“

Aber natürlich gibt es eine Grundlage von der aus man starten kann, und das sind zum einen offene Vokale (O, U, A, E, I, Ö, Ü, Ä) und zum anderen ein resonanter Grundton.

Das Wort WOW eignet sich für den Anfang und das erste Ausprobieren besonders gut. Nach einigem Üben könnte sich das zum Beispiel so anhören:


Für das Üben von Obertönen empfiehlt sich auch ein resonanter Raum, wie zum Beispiel eine Kirche. Auch die heimische Badewanne eignet sich gut dafür. Lubbe selbst benutzt z.B. gerne mal beim Autofahren das Fahrzeug als Grundton. Über das Singen von Obertönen sagt er, es ist „wie eine Verbindung zu einer tieferen Welt. Ein Gefühl als ob man Regenbögen produziert.“

Eine eigene Regenbogenproduktion – was für eine schöne Vorstellung. Auch meine Mitzuhörer hat es allerspätestens jetzt gepackt, und ich beobachte, wie der/die eine oder andere(r) seinen Mund neugierig zu einem Vokal formt.

Eine weitere Technik, sich den Obertönen zu nähern, ist es, zum resonanten Grundton die Position “L“ mit der Zunge im Mund zu formen:


Dabei steuern die hinteren Muskeln der Zunge den Oberton. Das bedeutet, je nach dem wie fest diese Muskeln angespannt werden, erklingt ein neuer Oberton. Und wenn man dann fortgeschritten und schließlich soweit ist, dass man die Obertonreihe komplett durchgehen kann, schmelzen die verschiedenen Töne tatsächlich wie die Farben eines Regenbogens ineinander:


Eine andere Art des polyphonischen Gesangs ist der Halsgesang, auch “Khoomei“ genannt. Er kommt ursprünglich aus der zentralasiatischen Region, wo er auch hauptsächlich verbreitet ist. Diese Art von Gesang ist im ersten Moment vielleicht ein bisschen gewöhnungsbedürftig und zudem auch nur mit Vorsicht zu genießen, wenn man es selber praktiziert. Denn dieser Halsgesang ist „nicht unbedingt gesund“, wie Lubbe selber sagt. Was dabei passiert, ist, dass man beim Singen (nicht extra tief singen!), den Ton so sehr entspannt, dass man das Gefühl hat, er würde um zwei Oktaven runterspringen.

Das ganze hört sich dann zum Beispiel so an:


Zum Abschluss des Abends gab es noch ein kleines Oberton-Konzert, mit Gesang und Viola in Personalunion. Hier ein Ausschnitt: